Die alte Villa (German Edition)
Arzt nicht anders heißen? Müller oder Schmitz?
Ihr fiel der Traum ein, als ihr Lehrer die Tante in eine Gruft gestoßen hatte.
„Entschuldigung, darf ich die Einweisung noch einmal sehen?“
Hektisch holte er den Zettel wieder zwischen den anderen Unterlagen hervor und legte ihn ärgerlich und sichtbar unter Zeitdruck nochmals vor Rebecca auf den Tisch.
Diese studierte die Einweisung ihrer Tante nun ganz genau.
Sie fand ein Feld mit der Überschrift: ‚Diagnose’. Dahinter hatte jemand per Hand einige medizinische Fachbegriffe notiert, die erstens sehr unleserlich geschrieben waren, außerdem meist aus gleich mehreren lateinischen Fachausdrücken bestanden, dennoch entzifferte sie in dem Wirrwarr aus medizinischen Fachausdrücken die Begriffe ‚Hysterie’, ‚Depression’ und ‚Lethargie’.
Seit wann muss jemand wegen hysterischen Verhaltens in eine Anstalt?...
„Wenn Sie mich fragen, eine eindeutige Fehldiagnose“, sagte Dr. Bekell plötzlich mit einem abfälligen Unterton in der Stimme.
„Ihre Tante hatte ein äußerst traumatisches Erlebnis. Nein, im Grunde genommen sogar gleich mehrere. Das erste wohl schon in frühester Kindheit. Leider ging auch ein massiver Gedächtnisverlust damit einher, so dass wir immer noch im Dunkeln tappen, was wir überhaupt behandeln müssen, bzw. was der Auslöser für die Krankheit Ihrer Tante gewesen ist. Wie gesagt, ist Ihre Tante in der Regel nicht sehr gesprächig.“
Rebecca spürte die Ungeduld des Doktors, und dessen Gereiztheit. Waren wirklich nur seine wartenden Patienten der Grund dafür? Wollte er sie loswerden?
„Ich habe nur noch eine Frage an Sie, Herr Doktor“, sagte sie deshalb schnell. „Bestehen denn Aussichten, dass meine Tante wieder ganz gesund wird?“
„Geringe Aussichten, sehr geringe, Fräulein Stein. Ihre Tante ist schon so lange bei uns. Wo sollte Sie denn leben? Man müsste sich ja sehr um sie kümmern. Die Gefahr eines Rückfalls ist immer da. Wenngleich ich dazu sagen muss, dass sich der Zustand Ihrer Tante doch in den letzten Jahren ganz erstaunlich verbessert hat. - Ja, wirklich sehr erstaunlich.“
Man spürte, dass Dr. Bekell nun wirklich sehr ungeduldig wurde. Er erhob sich von seinem Stuhl und setzte sich schon in Richtung Tür in Bewegung. Er reichte Rebecca die Hand und verabschiedete sich von ihr.
Als Rebecca die Eingangshalle betrat, sprang Jeremy gleich von seinem Sitz auf und kam ihr entgegen.
„Wie geht es ihr?“, fragte er aufgeregt und sie erzählte ihm, dass es Greta verhältnismäßig gut ging und dass sie morgen wieder herkommen wollte, um dann ein etwas längeres Gespräch mit ihrer Tante zu führen. Jeremy bot sogleich an, sie wieder zu fahren und Rebecca nahm dieses Angebot dankbar an. Auch Torsten stand auf und alle zusammen verließen sie die Klinik.
Zwei junge Männer in weißen Kitteln kamen ihnen am Ausgang entgegen und Rebecca erschrak über ihr schlechtes Aussehen.
Ob das angehende Ärzte sind ?, überlegte Rebecca. Wenn ja, so sehen sie mit Sicherheit nicht weniger krank aus wie ihre künftigen Patienten.
Zurück im Hotelzimmer warf sich Rebecca sogleich auf ihr Bett. Sie war völlig erschöpft.
„War der Besuch sehr anstrengend für dich?“, fragte Torsten.
Sie nickte. „Ja, er hat mich schon einige Kraft gekostet.“
Sie musste wieder an Tamaras Worte denken. Ob es Dr. Bekell gewesen war, der ihr soviel Energie geraubt hatte? Schließlich hatte sie die Tante doch nur wenige Minuten gesehen und sich während dieser Begegnung sehr wohl gefühlt.
„Das ist alles .. so seltsam...“ sagte sie mehr zu sich selbst.
„Was denn?“, fragte Torsten.
„Ach die ganze Geschichte mit meiner Tante. Sie wirkte so klar, so normal. Als wäre sie gar nicht krank. Und ich... und ich...“ Beinahe hätte sie Torsten von dem Traum erzählt, den sie vor einigen Monaten gehabt hatte, als sie noch nicht einmal von der Existenz der Tante ahnte, aber dann entschied sie sich doch dafür, ihm vorerst nichts davon zu sagen.
Sie grübelte über diesen Dr. Kelbel nach und zog dabei ihre Stirn ganz kraus, dass Torsten bei ihrem Anblick plötzlich lachen musste.
„Wie wär’s, Frau Professor, wenn sie zur Entspannung mit mir Essen gingen?“
Sie stand vom Bett auf. „Oh ja, ich habe wahnsinnigen Hunger. Ich möchte heute unbedingt mal das Rumpsteak nehmen, noch schön rosa in der Mitte.“
„Na, dann los!“
Nach einem ausgiebigen Mahl in dem kleinen Restaurant gegenüber ihres Gasthofs,
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