Die Amazonen
sich in ihren Traum zurück, sah sich auf der Lichtung sitzen und Achill ansehen, vergewisserte sich seines Lächelns, das er in den Mundwinkeln – warum nur? – versteckt hielt. Sollte sie seinen Triumph nicht sehen, oder wollte er verbergen, wie sehr ihm die Jagd aufeinander gefallen hatte? Und was war das für eine zarte Berührung gewesen? Wollte er sie vielleicht nur an seine Hand gewöhnen, damit er später einfacher zupacken konnte? |89| Aber seine Augen meinten etwas anderes, die Hand war ihnen nur gefolgt, die Lippen entlang, über die Wangen, durch die dunklen Locken. Dann hatten seine Augen sie fest gehalten wie eine Umarmung, und Penthesilea hatte sie erwidert.
Sie saß auf dem besten ihrer Pferde, das die Verträumtheit seiner Reiterin spürte und mit Bedacht den Weg für sich und das Gefolge bahnte.
Boreas, der Nordwind selbst, hatte dieses Pferd in Thrakien gezogen und Penthesilea geschenkt. Das goldbraune Tier trug einen weißen Stern auf der Stirn, über der sich die lange dichte Mähne teilte. Silbern wie das Mondlicht fiel sie über den hoch angesetzten, schön getragenen Hals, legte sich um die kleinen, aufmerksamen Ohren, sprang auf in einem Geflitter über den dunklen Augen. Leicht schritt das Pferd durchs hohe Gras, teilte es mit schmalen, festen Beinen. Und obwohl es darauf trainiert war, mit den Harpyien, den Sturmwinden, um die Wette zu laufen und zu gewinnen, wiegte es seine Reiterin jetzt in ruhigem Schritt. Bis zum Bauch reichte ihm das dichte Grün, über das der lange, silberne Schweif wie eine Schleppe glitt. Auf seinem Rücken lag ein großes Tigerfell, das vom Widerrist bis zur Kruppe reichte und mit einem goldbeschlagenen Bauchgurt befestigt war. Der große sibirische Tiger, den die Königin selbst gejagt und erlegt hatte, war wie das Pferd honigbraun-silbrig gezeichnet, sodass die Farben beider Tiere ineinander spielten und es von weitem so aussah, als ritte Penthesilea auf einem Tiger nach Troja.
Die Königin war unruhig in Erwartung der in Aussicht gestellten Beute, aber klug genug, nichts zu überhasten. Sie beherrschte sich, gönnte den Menschen und Tieren in ihrem Tross lange Ruhepausen und Schrittpassagen, während sie selbst vorangaloppierte. Sie allein werde sich um die Jagd kümmern, hatte sie ihren Frauen mitgeteilt, denn nur sie habe ein Pferd, das niemals ermüde. Die Amazonen sollten in die vorgegebene Richtung ziehen und, wenn es Zeit sei, das Lager aufschlagen, die Königin selbst würde die Verpflegung beibringen.
|90| Damit hatte Penthesilea nicht nur eine Ausflucht erfunden, die ihre Ruhelosigkeit hinter einem Motiv verbarg. Es war ihr innerster Wunsch zu jagen, am liebsten von früh bis spät, denn sie glaubte, üben zu müssen, wie man Beute macht, ohne zu töten. Sie wollte lernen, so zu jagen, wie sie Achill jagen musste: zur Strecke bringen ohne zu töten.
Sie hetzte dem Wild hinterher, beherrschte den Blattschuss, aber vermied ihn, schoss stattdessen in die Schulter, in die Läufe, in den Rücken, eilte zu dem verletzten Tier und sah ihm in die Augen. Wenn sein Blick leer war, bedeutete es, dass sie den Schuss an die falsche Stelle gesetzt hatte. Spiegelte sich Todesqual in den Augen, brach sie das Wild auf, betrachtete Herz, Lunge, Milz, tastete sich mit Händen und Augen zur besseren Platzierung, und übte erneut, so zu schießen, dass der eindringende Pfeil nicht tötete, sondern nur den Lauf hemmte. Aufhalten sollte er die Beute, widerstandslos und gefügig machen, sie ihr zu Füßen legen, damit sie, die Königin, dem Opfer das Leben schenken konnte. Nicht einmal schmerzhaft sollte die Spitze im Fleisch stecken, sie wollte eine freudig zu ihr aufblickende Beute, doch kein Tier tat ihr diesen Gefallen. Auch wenn sie nur die Sehne eines Beines durchschoss, stand dem Hirsch die Panik in den Augen, er begriff nicht, dass er um sein Leben lächeln musste.
Niemand hatte Penthesilea eingeweiht in die besondere Bedeutung des Beutemachens zum Zweck der Staatserhaltung. Die jungen Amazonen lernten es in der Regel von den erfahrenen, wenn es an der Zeit war. Es war nicht wichtig, sich vorher darüber Gedanken zu machen und keine aus Penthesileas Gefolgschaft ahnte, dass die Königin an diesem Rätsel fast verzweifelte. Wie sollte sie sich ihre Beute sichern, ohne sie zu töten? Jedes leicht verwundete Wild floh sofort ins Dickicht, das schwer verletzte blieb auf der Strecke, unglücklich und ohne ihr zu folgen.
Doch eines Tages geschah etwas
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