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Die Amerikanerin

Die Amerikanerin

Titel: Die Amerikanerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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glaube mir. Du hättest mal hören sollen, was für Lobreden er beim letzten Stammtisch auf dich gehalten hat. Wie hübsch du bist. Und wie klug. Dein Großvater hat scheinbar ins selbe Horn geblasen und getönt, das ›Heimer’sche Blut‹ wäre nicht zu übersehen. Dein Besuch hat dem Alten neues Leben eingehaucht, sagt Thomas. Anscheinend hat dein Großvater sogar versucht, aus dem Bett zu kommen, war dann aber doch zu schwach. Nun – immerhin!«
    »Das glaube ich alles nicht.« Stirnrunzelnd versuchte Wanda, den Wirrwarr in ihrem Kopf zu ordnen.
    »Warum soll ich dich anlügen? Was hätte ich davon?«, fragte Richard eindringlich. »Ich kenne deinen Vater und weiß, was ich von seinen Reden zu halten habe. Er ist nicht sehr umgänglich, und wenn er seine Launen hat, lässt man ihn am besten allein. Aber eine ehrliche Seele ist er allemal. Wenn der am Stammtisch über dich ins Schwärmen gerät, dann hat das was zu bedeuten. Wie sehr er sich über dein Kommen gefreut hat, würde er dir gegenüber natürlich nie zugeben. Wenn er nicht weiß, wie er sich verhalten soll, tut er ruppig, das ist eben seine Art. Aber eines steht fest: Dein Besuch war die größte Freude, die er seit ewiger Zeit erlebt hat.«
    »Davon hab ich weiß Gott nichts gemerkt«, sagte Wandatrocken. Wie er dagesessen und in seine Kaffeetasse gestarrt hatte, dieser unrasierte, ungepflegte Mann! Als ob er es nicht erwarten konnte, sie wieder loszuwerden. »Und dazu noch Eva, die Schlange! Vielen Dank!«
    »Eva ist doch ein armes Luder.« Richard hob ihr Kinn an, sein Blick ließ sie nicht entkommen. »Man sagt zwar, Blut ist dicker als Wasser, trotzdem bist du zu nichts verpflichtet, das ist mir schon klar. Und dennoch …« Er hielt inne.
    Erschöpft machte Wanda eine abwehrende Handbewegung. Bei allem, was gerade über sie hereinbrach, kam sie mit dem Denken nicht mehr nach.
    Richard grinste. »Es liegt doch auf der Hand. Dein Onkel und deine Tante hier kommen gut ohne dich zurecht. Aber um die Heimers steht es verdammt schlecht! Ich weiß zwar nicht über alle Einzelheiten Bescheid, doch so, wie’s aussieht, hat Thomas’ letzter Verleger ihm nun auch noch die Freundschaft gekündigt. Und daran ist er selbst schuld, der sture Hund! Warum weigert er sich, Neues auch nur auszuprobieren!«
    Bevor Wanda ihn fragen konnte, warum er sich eigentlich so für einen Glasbläser einsetzte, der im weitesten Sinne ein Konkurrent für ihn war, fuhr Richard mit seinem eindringlichen Monolog fort:
    »Dein Vater ist immer noch ein verdammt guter Glasbläser, ich würde sogar sagen, einer von den besten, die wir haben. Und seine Werkstatt ist zwar nicht gerade auf dem neuesten Stand, doch sehr gut ausgestattet. Ich wäre froh, wenn ich all die Möglichkeiten hätte, die Thomas zur Verfügung stehen. Aber seine alten Hirschfiguren und Jagdbecher will nun einmal kein Mensch mehr haben!«
    »Das mag ja alles sein«, erwiderte Wanda heftig. »Nur was hat das mit mir zu tun? Es ist schließlich nicht so, als ob wir uns nach Jahren der Trennung in den Armen gelegen hätten!
    Ich kann nicht einmal sagen, dass ich meinen leiblichen Vaterbesonders sympathisch finde. Der Mann ist mir fremd, das Haus ist mir fremd, und von der Glasbläserei verstehe ich keinen Deut! Wie um alles in der Welt kannst du da auf den Gedanken kommen, ich könnte Thomas Heimer helfen?!«
    Richard seufzte. »Das liegt doch auf der Hand. Wenn er als Glasbläser nicht verhungern will, muss dein Vater mit der Zeit gehen.«
    Er hielt inne. Ein herausforderndes Lächeln umspielte seine Mundwinkel.
    »Und wer könnte ihm das besser klarmachen als seine weltgewandte Tochter aus Amerika?«

15
    EILBRIEF
    An:
    Wanda Miles
    Im Hause Peter Maienbaum
    Hauptstraße 14
    Lauscha
    Thüringen
    Genova, am 7. Januar 1911
    Liebe Wanda,
    wie kannst Du mir einen solchen Schrecken einjagen! Als der Bote mit Deiner Eildepesche vor der Tür stand, habe ich einen Moment lang das Schlimmste befürchtet – und Du kennst meine Fantasie! Umso größer war meine Erleichterung, als ich lesen durfte, dass alles in Ordnung ist, wenn man davon absieht, dass halb Lauscha scheinbar auf dem Kopf steht …
    Ich kann nicht fassen, was Du mir schreibst! Richard Stämme hat Dir seine Liebe gestanden? So plötzlich und unverhofft? Und Du hast vor, Deinem Vater in der Werkstatt zu helfen? Mir schwirren tausend Fragen durch den Kopf, und ich weiß nicht, welche ich zuerst stellen soll. Dein Brief war so voller Elan, so voller

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