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Die Amerikanerin

Die Amerikanerin

Titel: Die Amerikanerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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nicht ganz im Klaren darüber, was sie von alledem halten sollte. So mussten ihre guten Wünsche für die kommende Zeit ausreichen.
    Lächelnd faltete Marie die Bogen zusammen und steckte sie in den Umschlag, den sie vorsorglich mitgenommen hatte. Noch einmal tauchte sie die Feder ins Tintenfass und beschriftete den Umschlag. Er sollte gleich morgen früh weggebracht werden.
    Als sie sich aufrichtete, knackte es in ihrem Nacken, der vom langen gebeugten Sitzen ganz steif geworden war. Sie massierte die harten Muskeln ein wenig. Ein Schauer fuhr ihren Rücken hinab.
    Um sie herum war es stockdunkel und kalt. Einzig die kleine Lampe, die über der Sitzgruppe aufgehängt war,spendete ein wenig Licht. So warm und duftend und heiter die Orangerie am Tage war, so unheimlich kam sie ihr nun vor. Wo bei Sonnenschein Palmen und Zitronenbäume sie umgaben, streckten sich nun unscharf umrissene Schatten nach ihr aus. Die Glasscheiben, die tagsüber den Blick öffneten, vermittelten Marie jetzt ein Gefühl von Schutzlosigkeit.
    Plötzlich hatte sie es eilig, ins Warme und Helle zu kommen. Sie raffte ihre Schreibutensilien zusammen und stand auf.
    Draußen auf dem Gang zu ihrem Schlafzimmer brannten die Lichter. Franco! Maries Schritte wurden schneller. Wahrscheinlich wartete er schon auf sie. Hoffentlich war er guter Laune und nicht zu müde. Sonst würde er ihren Plan vielleicht aus lauter Erschöpfung nicht gutheißen.
    »Franco, Liebster! Hast du schon zu Abend gegessen? Wenn nicht, dann könnten wir …« Die Klinke der geöffneten Tür in der Hand, hielt Marie inne. Das Lächeln auf ihrem Gesicht gefror. Beim Anblick des makellos aufgeschlagenen Bettes verspürte sie einen Anflug von Ärger. Wie lange wollte der alte Conte seinen Sohn heute Abend noch in Beschlag nehmen? Wütend knallte sie ihre Sachen auf die Kommode und wollte schon das Band lösen, mit dem sie ihre Haare aus dem Gesicht gebunden hatte, als sie innehielt.
    Eigentlich hatte sie nicht die geringste Lust, hier zu sitzen und zu warten! Am Ende schlief sie vor lauter Langeweile noch ein, und ihre Neuigkeiten mussten bis morgen warten. Und womöglich würde Franco dann wieder keine Zeit für sie haben. Wie sagte man zu Hause? Wenn der Prophet nicht zum Berge kam, dann musste der Berg eben zum Propheten gehen! Marie warf sich eine Wollstola um die Schultern und verließ das Zimmer wieder. Den Brief an Wanda nahm sie mit. Wenn sie ihn auf die Anrichte neben dem Eingang legte, würde der Amtsbote ihn gleich am nächsten Morgen auf die Post tragen.Sie kämpfte gegen den leichten Schwindel an, der sie überfiel, als sie die Hälfte des langen Ganges hinter sich hatte, und marschierte mit grimmiger Entschlossenheit in Richtung Bürotrakt.

16
    Die eichene Bürotür schon in Sichtweite, grübelte Marie noch darüber nach, ob sie Franco ihre Verärgerung spüren lassen oder ihn auf charmantem Weg seiner Arbeit entreißen sollte. Einerseits wäre es sicher sinnvoll, wenn sie …
    »Telefono … dodici uomini … Firenze …«
    Francos Stimme, laut und aufgeregt hinter der geschlossenen Tür, riss sie abrupt aus ihren Überlegungen. Waren denn die beiden immer noch nicht fertig? Marie wollte gerade anklopfen, als erneut Francos Stimme zu ihr drang. Diesmal schien sie fast überzuschnappen.
    »Questo è colpa nostra!«
    Perplex blieb Marie vor der Tür stehen, die Klinke schon in der Hand. So hatte sie ihren Mann noch nie schreien hören. Auf einmal kamen ihr Zweifel, ob es eine gute Idee war, ihn zu stören. Franco hatte erwähnt, dass dieser Tage ein Schiff namens »Firenze« mit einer Ladung De-Lucca-Wein in New York ankommen sollte. Was war damit? Wofür gab er sich die Schuld?
    »Annegati?«
    Ertrunken? Die knappe Frage des Conte klang wie ein Peitschenhieb.
    »No, soffocati! … Firenze … una mancanza d’aria nel contenitore!«
    Marie runzelte die Stirn. Wer war erstickt? Zu wenig Luft in der Frachtkirste … in welcher Frachtkiste?!
    »… una morte misera! … dodici uomini soffocati, capisci?! …«
    … ein jämmerlicher Tod? Zwölf Männer auf der Überfahrt … erstickt? Hatte sie das richtig verstanden, oder spielten ihr ihre Italienischkenntnisse einen Streich? O Gott, etwas Fürchterliches musste geschehen sein!
    Marie schluckte. Sie verspürte einen Knoten im Hals, fühlte die drohende Gefahr, wie ein Tier Witterung aufnimmt. Lauf zurück in dein Zimmer, so schnell du kannst, schrillte es warnend in ihrem Kopf. Stattdessen blieb sie wie

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