Die Amerikanerin
gelähmt stehen und lauschte weiter.
»Ci costerà una barca di soldi!«
War es nicht typisch, dass sich der alte Conte um Geld sorgte, während sein Sohn einem Nervenzusammenbruch nahe war?, ging es Marie erstaunlich klar durch den Kopf.
»… una morte misera … questo è colpa nostra!«, schrie Franco erneut. Er musste direkt hinter der Tür stehen, so nah klang seine Stimme. »Ich verfluche den Tag, an dem ich mich auf das alles eingelassen habe! Wie oft habe ich dich angefleht, alles möge ein Ende haben? Geld, Geld, Geld! Dafür war dir kein Risiko zu groß. Und jetzt hat das Leben von zwölf Menschen ein Ende!«
Unwillkürlich presste Marie eine Hand vor den Mund. Ihr Kopf füllte sich mit einem aufdringlichen Summen, sie konnte der Gewissheit nicht mehr ausweichen: Menschen waren zusammen mit der Weinladung verschifft worden und während der Überfahrt zu Tode gekommen.
»Siamo assassini!«, schrie Franco jetzt. Wir sind Mörder …
Im nächsten Moment wurde die Tür aufgerissen – und Franco prallte auf Marie.
»Marie!« Entsetzt starrte er sie an.
Er war leichenblass, seine Augen waren rot gerändert. Das Haar hing ihm schweißnass in die Stirn.
Bei seinem Anblick wurde die Angst, die Maries Herz umklammerte, noch größer. Wandas Brief glitt zu Boden, während sie ihren Leib hielt und hoffte, dass der Schmerz, der sieplötzlich überfallen hatte, sie nicht auffressen würde. Menschenschmuggel …
»Ich … habe … dich gesucht.« Mit entsetztem Blick starrte sie in Francos Augen, in denen sie die Schuld las. Siamo assassini!
»Ich verstehe nicht … Franco … Wer ist ums Leben gekommen? Und was hast du mit … Menschenschmuggel zu tun? Franco!« Sie zerrte an seinem Arm. Das kann alles nicht wahr sein, dachte sie voller Panik. Ein Alptraum, und ich erwache gleich.
Franco sah mit tränennassen Augen zu Boden. Er war unfähig zu antworten, während sich hinter seinem Rücken der Schatten seines Vaters näherte.
»Du spionierst hinter uns her?«, fragte der Conte mit tödlicher Ruhe.
Maries Blick raste zwischen den beiden Männern hin und her.
»Ich will wissen, was hier gespielt wird!« Ihre Stimme klang schrill. Einen Augenblick lang dachte sie an das Kind in ihrem Bauch und dass es sich erschrecken musste.
»Ein Unglück ist geschehen …, aber ich werde dafür sorgen … ich werde alles wiedergutmachen und …« Die Worte kamen verzerrt aus Francos Mund, als hätte er getrunken. »Ich kann … dir alles … erklären …«
»Gar nichts wirst du ihr erklären!«, fuhr sein Vater dazwischen. Und zu Marie sagte er: »Was wir besprochen haben, geht dich nichts an. Schämst du dich nicht, wie ein Spitzel hinter dem Schlüsselloch zu stehen? Ist das die deutsche Art? Geh in dein Zimmer, pronto ! Franco und ich sind hier noch nicht fertig. Und wage es nicht, auch nur einen Satz darüber zu verlieren, was du in deiner Einbildung gehört haben willst.« Grob packte er sie an den Schultern und wollte sie wegschieben, als Marie sich losriss.
»Fass mich nicht an!«, schrie sie. »Wenn du denkst, du könntest mich einschüchtern, dann irrst du dich! Ich habenichts Unrechtmäßiges getan, im Gegensatz zu euch!« Sie registrierte das Erstaunen im Blick ihres Schwiegervaters – der Alte hatte tatsächlich nicht damit gerechnet, dass sie sich ihm entgegenstellte. Angewidert schaute sie weg und wandte sich zu Franco um. Warum ließ er es zu, dass sein Vater so mit ihr umging?
»Und? Wie lange willst du mich noch anlügen? Mir Märchen vom Weinanbau erzählen?«, fragte sie kalt.
»Marie … ich …«, stammelte er.
Ihr Herzschlag pochte bis in ihren Bauch hinab. Sie war so wütend auf ihn! Es hätte nicht viel gefehlt, und sie hätte ihn geschlagen. Hätte mit ihren Fäusten auf seine Brust getrommelt. Alles getan, um ihn aus seiner hilflosen Regungslosigkeit zu reißen. Aber sie musste an das Kind denken. Es tat weh, als sie versuchte, tief Atem zu holen.
»Wenn du mir nicht auf der Stelle die Wahrheit sagst, gehe ich zur Polizei. Sie und die Auswanderungsbehörde werden sich bestimmt für meine Einbildungen interessieren. Vor allem, wenn ich ihnen den Namen des Schiffes nennen kann, auf dem ihr …« Sie verzichtete darauf, den Satz zu beenden.
Es wurde eine lange Nacht. In ihrem Schlafzimmer, den Riegel vorgeschoben, so dass der Conte sie nicht stören konnte, gestand Franco Marie alles. Nur die ersten zwei Sätze kamen stockend, dann sprudelte es nur so aus ihm
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