Die Amerikanerin
hören, doch nach ein paar Minuten hatte sie sich wieder gefasst. Und dann half kein Bitten und kein Betteln. Ruth hatte sichnicht erweichen lassen: Um vier Wochen durfte Wanda ihren Aufenthalt verlängern, doch dann sollte sie umgehend wieder nach New York kommen. Schließlich könne sie Johanna doch nicht noch länger zur Last fallen!
Wanda hatte daraufhin Johanna, die neben ihr stand, ein wenig den Rücken zugekehrt und mit gesenkter Stimme geantwortet, dass Thomas Heimer sicher nichts dagegen hätte, wenn sie zu ihm zöge. So weit werde es nicht kommen, war Ruths eisige Antwort gewesen. Sollte Wanda wirklich in Erwägung ziehen, zukünftig in Thüringen zu leben – wogegen Ruth starke Einwände hatte –, dann mussten dafür wenigstens entsprechende Arrangements getroffen werden. Und zwar von New York aus. In aller Ruhe und Ausführlichkeit – und in Anwesenheit von Wanda.
Wahrscheinlich war das nur ein fauler Trick, um sie wieder nach Hause zu beordern, dachte Wanda. Vermutlich glaubte Mutter, wenn sie, Wanda, erst wieder zu Hause war, würde ihre Euphorie für Lauscha wie Rauch durch einen Kamin verfliegen. Aber da lag sie falsch. Zugegeben, früher hatte sie sich hin und wieder vom Weg abbringen lassen. Aber diesmal würde nichts und niemand sie beirren können! Der Gedanke tröstete sie ein wenig.
»Gerade jetzt, wo sich die Dinge so gut entwickeln«, sagte sie schniefend und musste einen Satz zur Seite machen, sonst wäre sie von einem Fuhrwerk gestreift worden.
»Wenn du unter die Räder kommst, ist es mit der guten Entwicklung auch vorbei«, erwiderte Johanna. Dann zog sie Wanda ungefragt ins nächste Kaffeehaus. Nachdem sie für jeden eine Tasse Kaffee und ein Stück Nusstorte bestellt hatte, wandte sie sich ihrer noch immer verzagten Nichte zu.
»Jetzt lach doch wieder! Wenn ich es vorhin richtig mitbekommen habe, ist deine Mutter doch gar nicht grundsätzlich dagegen, dass du in Thüringen leben willst. Aber soetwas muss geplant werden, da bin ich ganz Ruths Meinung. Was ist zum Beispiel mit diesem Harold, den deine Mutter deinen Verlobten nennt? Hat er nicht auch ein Recht darauf zu erfahren, was du mit deinem Leben anfangen willst?« Der vorwurfsvolle Ton in Johannas Stimme war nicht zu überhören.
»Harold!«, sagte Wanda verächtlich. »Das war nie etwas Offizielles, diese Verlobung war mehr eine Art Spaß zwischen uns beiden. Ganze zwei Briefe habe ich von ihm bekommen, seit er der gnädige Herr Bankdirektor geworden ist! Dabei habe ich ihm anfänglich noch wöchentlich geschrieben! Aus den Augen, aus dem Sinn – so heißt das doch in Deutschland, oder?« Sie seufzte. »Aber eines hast du ganz richtig formuliert: Was ich mit meinem Leben anfangen will! Ich bin Harold keine Rechenschaft schuldig, und Mutter braucht sich nicht einzubilden, dass sie mir seinetwegen ein schlechtes Gewissen einreden kann.«
Johanna holte Luft und wollte etwas erwidern, schwieg dann aber, als sie die Bedienung näher kommen sah. Der Duft nach frisch gerösteten Kaffeebohnen wehte ihnen entgegen, und Wanda musste nach dem ersten Schluck feststellen, dass Johanna recht hatte, wenn sie den Kaffee als Lebenselixier bezeichnete. Ein klein wenig fühlte sie sich schon besser …
Johanna schaute von ihrer Nusstorte auf. »Um noch einmal darauf zurückzukommen … Offiziell verlobt oder inoffiziell, ich finde, du solltest ihm klipp und klar sagen, wie die Dinge stehen. Oder willst du dich so aus der Sache herausschleichen, wie Marie es bei Magnus getan hat?«
Nein, das wollte sie nicht, gestand sich Wanda im Stillen ein. Magnus’ stilles Leiden, sein Blick, der besagte, dass er noch immer nicht verstand, wie die Liebe seines Lebens so einfach hatte verschwinden können, rührte auch sie an. Nicht, dass sie glaubte, Harold würde ebenso leiden! Erschien schon jetzt sehr gut über ihren Verlust hinweggekommen zu sein. Dennoch würde sie ihrerseits einen sauberen Schlussstrich ziehen. Aber das bedeutete doch nicht zwangsläufig, dass sie dazu nach Amerika reisen musste, oder?
»Und dann sind da noch die finanziellen Fragen. Auch so banale Dinge wie die eines eigenen Hausstandes wollen geklärt werden. Verstehe mich bitte nicht falsch, du bist bei uns so lange willkommen, wie es dir gefällt«, fuhr Johanna fort. »Aber ewig wirst auch du nicht aus dem Koffer leben wollen. Und bestimmt gibt es Dinge von zu Hause, die du jetzt schon vermisst.«
»Ich habe alles, was ich brauche«, antwortete Wanda muffig. Von
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