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Die Amerikanerin

Die Amerikanerin

Titel: Die Amerikanerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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verkündete sie in unheilschwangerem Ton. »Eines kann ich dir jetzt schon sagen: Nach allem, was hier vorgefallen ist, braucht Marie sich bei mir nicht mehr so schnell blicken zu lassen! Sie hat mit ihrem Besuch mehr Staub aufgewirbelt als ein Hurrikan in Texas!«

    Eine halbe Stunde später zog Wanda die Wohnungstür hinter sich zu. Statt auf den Aufzug zu warten, stieß sie die schwere Eisentür am Ende des Ganges auf und stieg mit zusammengerafftem Rock die schmalen Tritte der Feuerleiter hinauf aufs Dach des Apartmenthauses.
    Wie erwartet, hatte Mutter sich mit einer Migräne hingelegt. Zuvor jedoch hatte sie keinen Zweifel daran gelassen, wer Schuld hatte an ihren Qualen.
    »Seit Maries Besuch scheint es in diesem Haus Mode geworden zu sein, dass sich jeder nur noch um sein eigenes Wohl sorgt! Wie es mir dabei geht, kümmert niemanden! Meine Nerven sind von der ganzen Aufregung brüchig wie Glas«, hatte sie gejammert. »Erst Maries überstürzte Abreise, und nun du und deine fixe Idee von einem Deutschlandbesuch! Ich habe dir doch schon letzte Woche erklärt, dass ich davon nichts halte. Harold wäre gewiss nicht begeistert, wenn du einfach verschwindest, und Johanna hat im Augenblick weiß Gottgenug um die Ohren, jetzt, wo sie Maries Arbeit neu aufteilen muss!« Ruths Ton war so vorwurfsvoll gewesen, als ob Wanda Schuld an Maries Verhalten trüge.
    »Mit einem Glasbläser weniger im Haus hat sie doch keine Zeit, für dich die Fremdenführerin zu spielen. Außerdem ist mir sowieso völlig schleierhaft, was du in Lauscha willst! Wenn du dir einbildest, dein leiblicher Vater würde nur auf dich warten, dann hast du dich getäuscht. Nicht einmal am Tag deiner Geburt warst du ihm einen Blick wert! Stattdessen ist er ins Wirtshaus gegangen und hat die Nacht durchgesoffen, während ich mir zu Hause die Augen aus dem Kopf geheult habe. So war das, mein Fräulein!« Mit jedem Satz hatte sich Ruth mehr in Rage geredet. »Aber davon will ja niemand etwas hören. Wenn es nach Marie und dir geht, bin ich nur die Böse, die dir deinen Vater vorenthalten hat!« Ruths Ton war bitter, wie immer, wenn sie von Thomas Heimer sprach.
    Wanda hatte genau gewusst, was als Nächstes kommen würde. Und so war es dann auch gewesen:
    »Ich meine es doch nur gut mit dir, Kind!« Ruths Ton war wieder sanfter geworden. »Ich kann mir schon vorstellen, wie Marie deinen Kopf mit romantischen Ideen über Thüringen gefüllt hat, von wegen rauschende Tannenwälder, plätschernde Bächlein und Vogelgezwitscher überall. Aber die Wahrheit sieht anders aus: kleine Hütten, von denen es im Winter die Schieferziegel weht, Kinder, die von früh bis spät mit ihren Eltern arbeiten müssen, und das für ein paar lumpige Kartoffeln und höchstens einmal ein winziges Stückchen Speck. Nachdem Vater gestorben war, hat es Winter gegeben, da wussten wir drei Mädchen nicht, wovon wir das Brennholz für den Ofen zahlen sollten! Und unsere Wespentaillen hatten wir weiß Gott nicht etwa raffinierten Korsagen zu verdanken! Was glaubst du wohl, warum jedes Jahr Abertausende von Deutschen auswandern? Warum Stevens Familie ausgewandert ist? Sicher nicht, weil es in der alten Heimat ach so schön ist! Vergiss Lauscha, dugehörst dort so wenig hin wie ich!« Sie hatte Wandas Arm streicheln wollen, doch Wanda war ihr ausgewichen.
    »Und deshalb soll ich meine Herkunft genauso verleugnen, wie du es tust?«, hatte sie ihre Mutter angefahren. »Dass wir hin und wieder deutsch reden, ist auch schon alles. Warum gibt es beispielsweise bei uns kein deutsches Essen? Und warum feiern wir Thanksgiving anstelle des Erntedankfestes?« Darauf hatte ihre Mutter nichts zu antworten gewusst! Stattdessen hatte sie das Thema gewechselt, wie sie es immer tat, wenn ihr ein Gespräch unangenehm wurde.
    »Was hältst du davon, jetzt im Herbst mit Tennisspielen anzufangen? Es heißt, dass immer mehr Damen Gefallen an diesem Sport finden – diese schönen weißen Kostüme, die man dabei trägt, sind ja auch überaus attraktiv. Von mir aus könntest du auch deine Cousine Dorothy zum Reiten begleiten! Ein Galopp morgens durch den Park sei das Schönste, was man sich vorstellen kann, schwärmt sie doch immer.«
    Wanda hatte nur abgewinkt. Tennis und Reiten – als Nächstes würde Mutter vorschlagen, sie solle in einen Kirchenchor eintreten!

    Auf dem Dach angekommen, kniff sie ihre Augen gegen die Sonne zusammen, die gerade hinter dem gegenüberliegenden Hochhaus versank. Es war ein

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