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Die Amerikanerin

Die Amerikanerin

Titel: Die Amerikanerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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Moralapostel aussuchen würde … Marie machte einen unwilligen Schnaufer. Vor ein paar Tagen war Franz an ihrer Hütte vorbeigekommen, als Franco und sie sich auf ihrer hölzernen Veranda eine Kissenschlacht lieferten. Wie er da von oben herab geguckt hatte!
    »Na, wieder einmal unterwegs, um Leib und Seele mit der Natur in Einklang zu bringen?«, rief Franco ihm zu und nannte ihn »Blassgesicht«. Als Franz nicht darauf reagierte, sondern mit zum Gebet gefalteten Händen, die Augen gen Himmel gerichtet, weiterlief, flüsterte Franco Marie kichernd zu: »Jetzt ›behimmelt‹ er sich wieder!«
    »Oder er genießt ein ›Luftmahl‹«, hatte sie erwidert. Im nächsten Moment waren sie in die Hütte gestürzt und hatten sich leidenschaftlich geliebt.
    Ein Schauer durchfuhr Marie. Und wenn sämtliche Götter des Olymp splitterfasernackt auf dem Monte Ringelreihen tanzen würden – für sie gab es nur Franco! Dass man eine solcheGlückseligkeit in den Armen eines Mannes erleben konnte, hätte sie nicht für möglich gehalten. Allein, wenn er …
    Ein Rütteln an ihrem Arm riss sie aus ihren Träumereien. Als sie die Augen aufschlug, sah sie Susannas erwartungsvolle Miene vor sich.
    »Entschuldigung, ich habe nicht zugehört. Was hast du gesagt?«
    »Ich habe dich gerade gefragt, ob du Lust hast, später Katharina von Oy besuchen zu gehen?«
    »Mhhh«, murmelte Marie unverbindlich und schloss die Augen wieder. Ihr war plötzlich übel geworden. Sie atmete durch den offenen Mund ein, um dagegen anzukämpfen. Offenbar war ihr der Alptraum doch ziemlich auf den Magen geschlagen. Sie hatte gar keine Lust, für den Ausflug ihr weiches Mooslager zu verlassen und sich von den Sonnenstrahlen auf ihrer Haut zu verabschieden. Außerdem hatte Susanna schon mehrmals versprochen, sie zu der Glaskünstlerin zu führen, die in den Hügeln oberhalb von Ascona eine Art Einsiedlerleben führte, doch bisher war am Ende nie etwas daraus geworden – auf dem Monte Verità wurde viel geredet, aber nicht ganz so viel in die Tat umgesetzt.
    Diese Katharina hatte früher mit allen anderen hier in der Kolonie gelebt. Als jedoch das Sanatorium eröffnet wurde und immer mehr Besucher auf den Monte kamen, hatte sie dem Trubel die Ruhe in einer verlassenen Berghütte vorgezogen. Sie verdiente sich ihren Lebensunterhalt damit, Glasbilder herzustellen, die sie unten im Dorf an Touristen verkaufte. Natürlich reizte es Marie zu sehen, was die Leute hier als Glaskunst ansahen, und unter Glasbildern konnte sie sich gar nichts vorstellen. Waren das nicht Kirchenfenster?
    »Wenn ihr mit eurem Spaziergang wartet, bis meine Tanzstunde zu Ende ist, gehe ich mit«, kam es schläfrig von Pandora.
    »Du? Was willst du denn bei der Glasmalerin?«, fragte Marie erstaunt. »Hast du etwa vor, das Genre zu wechseln?«
    »Blödsinn. Ich will einfach nur sehen, wie sie lebt. Und sie ein bisschen ausfragen. Wie sie zu ihrem Grundstück gekommen ist. Was es gekostet hat und so weiter. Lukas sagt, nachdem die Reblaus den meisten Weinbergen den Garaus gemacht hat, werden viele Grundstücke sehr günstig angeboten. Wer weiß? Vielleicht kann ich mir hier auch so ein kleines Häuschen leisten. Nach New York gehe ich jedenfalls nicht mehr zurück.«
    »Du für immer hier? Glaubst du nicht, dass du den Großstadttrubel vermissen würdest?«
    Pandora streckte ihr rechtes Bein in die Höhe, bewunderte es und schlug es dann graziös über das linke. »Nichts und niemanden würde ich vermissen, ganz im Gegenteil. Ich habe mich noch nie so gut auf meinen Tanz konzentrieren können wie hier. Mir kommt es so vor, als würde die Luft um mich herum vibrieren. You have to dance to the music in your heart «, summte sie erneut.
    »Haben Lukas und ich dir das nicht gleich prophezeit?«, trumpfte Susanna auf. Im nächsten Moment runzelte sie jedoch ärgerlich die Stirn. »Pandora, Liebste – jetzt liegst du schon wieder falsch da! Wie oft soll ich dir noch zeigen, wie man ein Sonnenbad nimmt. So musst du es machen, schau!« Sie legte sich flach auf den Boden, Arme und Beine weit von sich gestreckt, den Bauch etwas in die Höhe gewölbt, das Gesicht in die Sonne gerichtet.
    »Lass mich doch liegen, wie ich will!«, nörgelte Pandora. »In deiner Position würde ich mich fühlen wie auf einer Streckbank!«
    Marie, die auf dem Bauch lag, kicherte. »Ehrlich gesagt finde ich sie auch nicht sehr angenehm. Man fühlt sich so ausgeliefert …«
    »Nicht wahr?«, ereiferte sich Pandora.

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