Die Amerikanerin
Ehefrauen –, die seine Mutter ihm seit Jahren wie Sahnetörtchen auf einem Präsentierteller anbot. Woraufhin Franco kundtat, dass er Marie liebe. Sein Vater hatte laut geprustet und angefügt, dass er seine Hunde auch liebe.
Nach dem lautstarken Telefonat im Postamt von Ascona hatte Franco es für besser gehalten, erst einmal nicht zu erzählen, dass er Marie mitbringen würde. Seine Eltern brauchten offenbar Zeit, um sich an den Gedanken zu gewöhnen, dass sie ihren einzigen Sohn fortan mit einer Frau würden teilen müssen. Doch nun rückte ihre Ankunft in Genua immer näher.
Nachdenklich nahm er noch einen tiefen Zug aus seiner Zigarette.
Vielleicht war es eine gute Idee, heute seinen Vater anzurufen und das Versäumte nachzuholen – es gab schließlich noch einiges im Palazzo vorzubereiten. Ein Glasbläserstudio?! Ist dir dein Verstand nun völlig in die Hose gerutscht? Er konnte denalten Conte bis hierher hören. Franco holte tief Luft, als wolle er sich schon jetzt für das spätere Wortgefecht stählen. Dieses Mal würde die Ironie seines Vaters an ihm abperlen wie Regen an den Blättern der Seerosen im Wassergarten seiner Mutter, schwor er sich. Es würde keine Wiederholung des Serena-Dramas geben. Er war kein Junge mehr, dem der Vater den Willen brechen konnte. Er und Marie würden ein starkes Gespann abgeben, gemeinsam hatten sie dem alten Conte genügend entgegenzusetzen. So unbeirrt sie ihren Weg als Glasbläserin ging, wollte er von nun an auch seine Arbeit in den Weinbergen verfolgen. Vorbei waren die Zeiten, in denen er nur den Laufjungen für seinen Vater abgab. Wie freute er sich auf den Tag, an dem er mit dem Menschenschmuggel nichts mehr zu tun hatte! Er hatte sich nie anmerken lassen, wie zuwider ihm dieser Aspekt ihrer Überseetransaktionen war, aber das Ganze hing stets über ihm wie eine düstere, mit Regen gefüllte Wolke. Zugegeben, seit Marie in sein Leben getreten war, hatte sich die Wolke gelichtet, war erträglich geworden. Umso besser, wenn sie endlich ganz vom Firmament verschwand! Ja, der Alte würde sich daran gewöhnen müssen, dass sein Sohn zukünftig eigene Ideen einbrachte! Und wer weiß, vielleicht würde sein Vater seine Bemühungen, die Reben zu verjüngen, die Sorten zu veredeln, am Ende sogar zu schätzen wissen?
Durch die offene Tür beobachtete er, wie Marie mit dem nassen Schwamm über ihre Brüste strich. Sorgfältig, um nur ja kein Tröpfchen Wasser zu verschwenden, tauchte sie dann den Schwamm in den Eimer und drückte ihn aus, bevor sie ihn an ihrem rechten Bein ansetzte. Sie trug ihre Nacktheit wie ein edles, aber schlichtes Gewand und bewegte sich ohne jede Koketterie. Wie schön sie war, seine Prinzessin!
Er nahm einen letzten Zug und drückte dann seine Zigarette aus.
Ab heute sollte sie nur noch im Luxus baden, dafür würde ersorgen! Und sein Vater … ach, an den wollte er jetzt nicht mehr denken.
3
Nachdem Franco sich auf den Weg ins Dorf gemacht hatte, ging Marie, nur mit einem Unterrock bekleidet, zu einer der treppenförmig angelegten Liegeflächen. Hier traf sie sich allmorgendlich mit Pandora und Sherlain zu einem Sonnenbad. Manchmal gesellten sich Ida Hoffmann oder Susanna, die Lebensgefährtin von Pandoras New Yorker Freund Lukas Grauberg, zu ihnen. Marie liebte diese Stunden. Ruth, die sich ständig mit ihren Freundinnen zum Lunch oder zum Kaffee verabredete, hätte in diesen Treffen wahrscheinlich nichts Besonderes gesehen, doch für Marie war es das erste Mal, dass sie eine rein weibliche Atmosphäre erlebte. In der heimischen Werkstatt war sie am Bolg stets von Peter, Johannes und Magnus umgeben und hatte als Frau in einem Männerberuf immer das Gefühl gehabt, ihren Mann stehen zu müssen.
Als Marie nun um die letzte Wegbiegung ging und im selben Moment den Lago Maggiore und ihre Freundinnen erspähte, war ihr Alptraum vergessen. Vor dem lapislazuliblauen Hintergrund erschienen die nackten Frauenkörper wie aus Porzellan gegossen. Der Wunsch, diesen Anblick für immer festzuhalten, wurde fast übermächtig. Eine Woge des Glücks erfasste sie.
»Na, hat dein Franco dich endlich aus dem Bett gelassen?« Mit einem unfeinen Ächzen stand Pandora auf und ging an Marie vorbei, die ihr Laken auf dem moosigen Grasboden ausbreitete.
»Nein, es war umgekehrt: Ich habe ihn gehen lassen, wenn auch ungern!«, grinste Marie. Mit zusammengekniffenenAugen beobachtete sie, wie Pandora auf einen der Badezuber zuging, die am Ende der Liegewiese
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