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Die Amerikanerin

Die Amerikanerin

Titel: Die Amerikanerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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ihm schon von deinem Besuch erzählt haben, einer von uns war es jedoch nicht.« Johannas Blick war abwägend, als überlege sie, was sie Wanda sagen sollte.
    »Die Heimers und wir haben nicht viel miteinander zu tun, wir sind schon immer unsere eigenen Wege gegangen. Das hat vor allem damit zu tun, dass wir Christbaumschmuck produzieren und sie Gebrauchsglas. Da gibt es einfach keine Berührungspunkte, weißt du?«
    Wanda nickte, obwohl sie von Marie wusste, dass das nur die halbe Geschichte war. Nachdem Ruth auf und davon gegangen war, hatte es immer eine besondere … Abneigung zwischen den beiden Familien gegeben.
    »Es muss sicherlich ein Schock für dich gewesen sein, von Thomas zu erfahren, nicht wahr?«, fragte Johanna sanft.
    Wanda nickte wieder. Ein dicker Klumpen hatte sich in ihrem Hals angesammelt und drückte unangenehm. »Glaubst du, er …« Sie brach ab.
    Was wollte sie sagen?
    Glaubst du, er holt mich am Bahnhof ab? Nach allem, was Marie ihr von ihrem leiblichen Vater erzählt hatte, würde er das ganz gewiss nicht tun.
    Oder: Glaubst du, er wird mich besuchen kommen? Etwa bei ihren Verwandten, mit denen seine Familie seit Jahrzehnten Feindschaft pflegte? Nie und nimmer.
    Statt nachzuhaken, sagte Johanna unbewusst dasselbe wie Wochen zuvor Marie auf dem Dach des Apartmenthauses:
    »Thomas Heimer ist kein schlechter Kerl. Aber erwarte nicht zu viel. Er ist kein unkomplizierter Mensch, das war er nie und das ist auch mit zunehmendem Alter nicht anders geworden. Von zu Hause hat er nicht viel Liebe mitbekommen, er und seine Brüder mussten von klein auf mit anpacken. Wie es ihnen ging, ob sie die Mutter vermissten – danach hat niemand gefragt. Extrawürste gab’s bei den Heimers nicht, weder im wörtlichen noch im übertragenen Sinne. Wie hat unser Vater uns dagegen verwöhnt! Das Leben ist hart, und man selbst muss auch hart sein  – vielleicht war das schon immer die ungeschriebene Heimer’sche Devise. Diese Lieblosigkeit, das Hartherzige, darunter hat damals auch deine Mutter so gelitten. Aber woher hätte Thomas es besser wissen sollen? Bei diesem Vater! Und es kann halt niemand aus seiner Haut, nicht wahr?« Johanna wirkte fast verwundert, als erlaube sie es sich zum ersten Mal, diese Gedanken auszusprechen.
    »Das hört sich ja an, als ob du ihn für irgendetwas verteidigen willst«, sagte Wanda. Obwohl Johannas Worte eigentlich gut gemeint waren, hatte sich ein dumpfes Gefühl in ihrem Bauch breitgemacht. Die Wut, mit der ihre Mutter über Thomas Heimer gesprochen hatte, war irgendwie leichter zu ertragen gewesen.
    Johanna zuckte mit den Schultern. »Jetzt, wo du es sagst …, vielleicht ist es so. Weißt du, ich sehe heute einiges anders als früher. Als junges Mädchen habe ich ihn für seine Grobschlächtigkeit belächelt und sogar dafür verachtet, dass er so unter der Fuchtel seines Vaters stand. Bei uns in Lauscha ist es üblich, dass die Söhne von Glasbläsern irgendwann ihre eigenen Wege gehen. Nur bei den Heimers war das nicht der Fall. Heute tut Thomas mir dafür leid. Wenn man sich immer nur mit dem zufriedengibt, was einem das Leben vor die Füße wirft, wie soll man da je einen Schritt weiterkommen?«
    Wanda runzelte die Stirn. Was wollte Johanna ihr damit sagen?

    Als der Zug in Lauscha hielt, war es kurz vor acht Uhr abends. Wegen Wandas vielem Gepäck schlug Johanna vor, mit dem Aussteigen zu warten, bis sich die Traube von Menschen im Gang aufgelöst hatte. Sie kannte fast jeden, der an ihnen vorbeidrängte, hier und da wechselte sie auch ein paar Worte. Mit glasigen Augen schaute Wanda zu, wie Dutzende von Frauen mit riesigen Körben auf dem Buckel in der funzelig beleuchteten Bahnhofshalle und danach in der feuchten Nebelnacht verschwanden.
    Als sie endlich an der Reihe waren auszusteigen, musste Wanda sich an dem eisernen Geländer festklammern, um den Halt auf den zwei Stufen nicht zu verlieren, so zittrig waren ihre Beine auf einmal. Sie war in Lauscha. Angelangt am Ort ihrer Träume.»Pass auf, dass du dir den Kopf nicht anschlägst!«, rief Johanna von draußen – im selben Moment, als Wandas Stirn gegen den Türrahmen knallte. Benommen blieb sie einen Moment lang stehen, während Johanna dem Mann, der sie in seiner Kutsche vom Bahnhof nach Hause gefahren hatte, erklärte, wo er Wandas Gepäck hinbringen sollte. Zwei Koffer standen neben Wanda auf dem Treppenabsatz, der Rest sollte über Nacht erst einmal ins Lager. Am nächsten Morgen sollte Wanda dann

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