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Die amerikanische Nacht

Die amerikanische Nacht

Titel: Die amerikanische Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marisha Pessl
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uns deshalb zu sich eingeladen.
    »Wissen Sie, ich habe nie an Ihnen gezweifelt«, sagte Olivia und zog eine Augenbraue hoch. »Dieses Tamtam vor ein paar Jahren wegen Ihnen und Cordova, Ihr fiktiver Chauffeur, die ungeheuerlichen Behauptungen, die Sie im Fernsehen aufgestellt haben. Ich weiß genau, was da vor sich ging.«
    »
Wirklich
?
Mir
war das alles nämlich ein Rätsel.«
    »Sie haben ihn durch etwas provoziert.« Sie lächelte über mein überraschtes Gesicht. »Sicher haben Sie bemerkt, dass sich der Raum um Cordova krümmt. Kommt man ihm näher, wird das Licht langsamer, Informationen geraten durcheinander, rationale Köpfe werden unlogisch,
hysterisch
. Das ist der Effekt der Raum-Zeit-Verkrümmung, so wie die Masse einer riesigen Sonne den Bereich um sie herum verbiegt. Man versucht, nach etwas ganz Nahem zu greifen und stellt fest, dass es niemals da war. Ich habe das selbst schon erfahren.«
    Sie verstummte nachdenklich. Im selben Augenblick kamen drei ihrer uniformierten Dienstmädchen mit dem Tee herein. Sie begannen, den Couchtisch vor uns zu decken, mit feinem Porzellan und einem silbernen fünfgeschossigen Turm, der mit Kuchen, Petit Fours, kleinen Törtchen und dreieckigen Sandwichs beladen war. Olivia streifte ihre hochhackigen Samt-Slipper ab – von Stubbs & Wootton, wie mir auffiel,
das Nike für Milliardäre
 – und vergrub ihre in schwarzen Strumpfhosen steckenden Füße unter sich. Während die Dienstmädchen Tee einschenkten, fiel mir auf, wie erschrocken Nora auf die aufwendige Anordnung blickte.
    »Vielen Dank, Charlotte.«
    Charlotte und die beiden anderen Mädchen nickten zurückhaltend und eilten davon, ihre Schuhe machten auf dem Teppich kein Geräusch.
    »Sie fragen sich bestimmt, warum um Himmels willen Sie hier sind«, sagte Olivia und trank einen Schluck Tee. »Sie haben Ihre Nachforschungen zu Cordova wieder aufgenommen, habe ich recht?«
    Unsere Blicke begegneten sich, als sie ihre Teetasse absetzte. Ihre Augen waren so leuchtend wie die eines jungen Mädchens.
    »Wer hat Ihnen das erzählt?«
    »Allan Cunningham.«
    Der Name sagte mir etwas.
    »Der Direktor des Briarwood Hospitals. Ich habe ein wenig Charity für sie gemacht. Er sagte, er habe Sie letzte Woche dabei erwischt, wie Sie recht ungeniert auf dem Gelände herumgeschnüffelt haben. Und sich als potentieller Gast ausgegeben haben.«
    Natürlich
 – Cunningham hatte mich in die Sicherheitszentrale geschleppt und gedroht, mich festnehmen zu lassen.
    »Wie kommen Sie mit den Nachforschungen voran?«, fragte sie.
    »Es ist nicht leicht, die Leute zum Reden zu bringen.«
    Sie stellte ihre Teetasse auf der Untertasse ab, lehnte sich zurück und sah mich an.
    »
Ich
werde reden«, verkündete sie.
    Ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen – ihre Direktheit amüsierte mich. »Worüber?«
    »Über das, was ich weiß. Und das ist einiges, glauben Sie mir.«
    »Durch Ihre Schwester?«
    Ihr Lächeln verschwand. Damit hatte ich nicht gerechnet; ich hätte gedacht, dass sie schon lange über Marlowe hinweggekommen war, dass sie sie in ein Schließfach ihrer Kindheit gesteckt, abgesperrt und den Schlüssel weggeworfen hatte. Doch die Erwähnung ihrer Schwester ärgerte sie sichtlich.
    »Ich habe seit siebenundvierzig Jahren nicht mit Marlowe gesprochen. Ich weiß nicht, was sie über Stanislas dachte oder welche Erfahrungen sie gemacht hat. Ich bin ihm selbst begegnet. Und darüber wollte ich bisher noch nie sprechen. Bis jetzt.«
    »Wieso dieser Sinneswandel?«
    »Ashley.«
    Sie sagte es ganz sachlich. Nora beugte sich vor und beäugte nervös die Petit Fours, als hätte sie Angst, sie würden davonkrabbeln, wenn sie danach griff.
    »Die Polizei meint, es war Selbstmord«, sagte ich.
    Olivia nickte. »Vielleicht. Aber da steckt mehr dahinter.«
    »Woher wissen Sie das?«
    »Ich habe sie einmal getroffen.« Sie hielt inne, um einen Schluck Tee zu trinken. Als sie die Tasse wieder abgestellt hatte, sah sie mich mit stechendem Blick an. »Glauben Sie an das Übernatürliche, Mr McGrath? An Geister und das Paranormale, an unerklärbare Kräfte, die wir nicht sehen können und die uns trotzdem beeinflussen?«
    »Nein, eigentlich nicht. Aber ich glaube an die Fähigkeit des menschlichen Verstandes, solche Sachen sehr real aussehen zu lassen.«
    »Stanislas und seine dritte Frau, Astrid, besitzen ein Anwesen in den Adirondacks, in der Nähe des Lows Lake.«
    »Ja, ich weiß.
The Peak

    Sie zog eine Augenbraue hoch.

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