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Die amerikanische Nacht

Die amerikanische Nacht

Titel: Die amerikanische Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marisha Pessl
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Fenster mit Gaze-Vorhängen wie lange Brautschleier und einem Blick auf einen See am Fuße des Hügels. Ich hatte noch nie ein so schönes Zimmer gesehen. Ich legte mich aufs Bett und wollte nur einen Augenblick die Augen zumachen, doch ich schlief fest ein. Ich musste von der Fahrt erschöpfter gewesen sein, als ich dachte. Drei Stunden später wachte ich plötzlich im Dunkeln auf und schnappte nach Luft. Mein Hals tat weh, als hätte mich jemand gewürgt. Meine Handgelenke und Arme fühlten sich an, als hätte man sie niedergedrückt. Sie
schmerzten
. Aber es war niemand da, kein Hinweis darauf, dass man mich gefesselt haben könnte. Und dann sah ich mit Schrecken, dass mein Koffer leer war. Meine Kleidung hing ordentlich im Schrank. Sogar meine Unterwäsche lag sorgfältig gefaltet in der Kommodenschublade. Eines meiner Kleider, das ich offensichtlich zum Essen anziehen sollte, lag für mich bereit, inklusive der Ohrringe und eines silbernen Kamms für meine Haare. Die Fenster standen offen und die Vorhänge wehten im Wind. Als ich eingeschlafen war, waren sie geschlossen gewesen. Mir sträubten sich sämtliche Haare auf den Armen, als würde ich gleich von einem Blitz getroffen. Ich konnte nur an eines denken.
Ich musste entkommen.
Das Abendessen würde um acht sein, und es sollten noch mehr Gäste kommen. Das war mir egal. Ich warf meine Sachen in den Koffer und hetzte aus dem Zimmer. Ich fand eine Hintertreppe und stürmte hinunter. Mein Auto stand exakt dort, wo ich es abgestellt hatte, und ich fuhr los, ohne die Scheinwerfer einzuschalten. Erst war ich mir sicher, dass mir jemand folgte. Ein paar Kurven hinter mir konnte ich Scheinwerfer sehen. Aber als ich am Tor ankam, waren sie verschwunden. Das Tor war geschlossen. Ich stieg aus, öffnete es und fuhr in Panik davon. Sechs Stunden lang hielt ich nicht an. Doch dieses Gefühl – so ein Gewicht, etwas Erstickendes, als habe man meinen ganzen Körper in eine Art Schraubstock geklemmt –, das ging vier Tage lang nicht weg. Ich war kurz davor, mich in die Klinik einweisen zu lassen.«
    Olivia hielt inne, um zwei orangefarbene Petit Fours von der Etagere zu nehmen. Eines aß sie selbst, das andere fütterte sie einem der Pekinesen. Als sie wieder uns ansah, lächelte sie betrübt.
    »Natürlich habe ich im Laufe der Zeit begonnen, mich für das zu schämen, was damals vorgefallen ist. Die Zeit saugt den Schrecken und den Schmerz aus unseren Erinnerungen. Ich sagte mir, dass der ganze sogenannte
Schrecken
, den ich verspürt hatte, mit meiner Jugend und überdrehten Phantasie zusammenhängen musste. ›Deformation‹, sein Film über den ansteckenden Wahnsinn der Teenager – der hatte einen tiefen Eindruck bei mir hinterlassen. Ich hatte verschiedene Dinge vermischt. Ich hatte die
Kunst
mit dem
Leben
verwechselt. Im Anschluss an den Vorfall schrieb ich Cordova dreimal, um mich zu entschuldigen, aber außer einer sehr groben Antwort kam nichts zurück.«
    »Was hat er gesagt?«
    »Sinngemäß, dass er mir niemals eine Rolle geben würde, selbst wenn ich der letzte Mensch auf der Welt wäre. Ich denke, die Einladung nach The Peak war mein Vorsprechen gewesen und ich hatte es vergeigt.«
    Ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen. Was sie sagte, passte nahtlos zu Cordovas Brief an Endicott, den Beckman immer seinen Studenten zeigte.
    Sie zuckte abschätzig mit den Schultern. »Für mich war es nicht schlimm. Zwei Jahre später war ich verheiratet. Ich hatte eine Familie, die wahre Liebe, ein richtiges Leben. Ich hatte meine Schauspielträume längst aufgegeben, den Traum vom Ruhm, der in meinen Augen nichts anderes bedeutete, als sich selbst einem billigen Karneval auszuliefern, für alle Zeiten in einem Käfig zu leben und sich zu gleichen Teilen beklatschen und auslachen zu lassen. 1999 erhielt ich dann aus heiterem Himmel eine Einladung. Sie kam von Cordova. Er lud mich zu einem privaten Abendessen zu sich nach Hause ein, diesmal in der Stadt. Das war ein paar Jahre nach seinem letzten Film, ›Atmen mit den Königen‹, und lange nachdem er sich in den Untergrund zurückgezogen hatte, er war jetzt eine noch geheimnisvollere und furchteinflößendere Figur als je zuvor. Ich zögerte, die Einladung anzunehmen. Andererseits ging es um Cordova. Ich war immer noch Fan. Ich hatte große Mühen auf mich genommen, Kopien seiner verbotenen Filme zu erstehen. Für mich war er eher eine Art Magier, ein Hypnotiseur im Stile von Rasputin. Kein Filmemacher. Auch

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