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Die amerikanische Nacht

Die amerikanische Nacht

Titel: Die amerikanische Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marisha Pessl
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Erstaunen, als habe sie das Wort seit Jahren nicht ausgesprochen. Es war fast so, als sauge sie hungrig an dem Wort wie an einem Bonbon.
    »Seine Tochter ist mausetot«, platzte sie heraus.
    »Was wissen Sie darüber?«, fragte ich überrascht. Offensichtlich waren wir nicht im Bilde über Marlowes geistige Verfassung; sie hatte mitbekommen, dass Ashley gestorben war.
    »Das Mädchen hatte keine Chance«, murmelte sie vor sich hin.
    »Was haben Sie gesagt?«,
herrschte Hopper sie an und machte einen Schritt auf sie zu.
    Ich wollte ihn dafür umbringen, dass er sie unterbrochen hatte. Sie sah ihn mit einem wissenden Lächeln an, während er sich auf den nächsten Samtsessel setzte.
    »Das muss Tarzan sein, Greystoke, Herr der Affen. Dir fehlt die Keule, und du musst grunzen. Kann’s kaum erwarten, dich im Lendenschurz zu sehen.
Wen haben wir denn da noch?
« Sie sagte dies mit ätzender Ironie und beugte sich vor, um Nora zu mustern. »Ein
Chorus Girl
. Du wirst es nicht schaffen, dich bis zur Mitte hochzuschlafen, Debbie. Und
du
.« Sie wandte sich mir zu. »Ein Möchtegern-Warren Beatty aus ›Reds‹. Ihr alle habt das
sesselfurzende Gehabe
der
kunstreich Ahnungslosen
. Und
ihr
wollt etwas über
Cordova
erfahren?« Sie lachte verächtlich, doch es klang eher so, als habe sie Kieselsteine in der Kehle. »Es blicken die Flöhe in den Himmel und fragen sich
Wieso Sterne

    »Hören Sie auf mit der Verrückte-Schauspielerinnen-Masche«, sagte Hopper.
    »Das ist keine Masche«, flüsterte Nora, die steif auf dem Sofa saß.
    »Wir gehen nicht, bevor Sie reden …«
    »Hopper«, ermahnte ich ihn.
    »Dann gehe ich davon aus, dass wir zusammenziehen. Du schläfst im Gästezimmer. Für Bullenreiten bin ich zu alt. Aber ich warne dich. Die Laken wurden nicht mehr gewechselt, seit ich mit Hans geschlafen habe. Die könnten also ziemlich
verklebt
sein.«
    Unvermittelt stand Hopper auf, ging zu einer Lampe in der Ecke und schaltete sie an. Das Zimmer war mit einem Mal in blaues Licht getaucht. Es war, als hätte er Säure über sie geschüttet. Marlowe kauerte sich zusammen, schnappte nach Luft und vergrub ihr Gesicht zwischen den Knien.
    »Mach es aus«, sagte ich, doch er schien mich nicht zu hören. Ich merkte, dass die Situation zu eskalieren drohte, doch je mehr ich Hopper zurechtwies, desto mehr schien es Marlowe zu stärken.
    »
Ashley Cordova.
Was wissen Sie?« Hopper stand drohend neben ihr.
    »
So gut wie nix
! Bist du
taub
, Romeo?«
    »Hopper.«
Ich erhob mich.
    »Einen Scheiß«, piepste Marlowe. »Null Komma nichts. Vom Tag ihrer Geburt an war sie erledigt.«
    »Sie weiß nicht, was sie da sagt«, sagte Nora.
    »Werdet ihr es aus mir herausprügeln?
Mich umbringen
?
Gut.
Dann krieg ich endlich meine Briefmarke. Anders als Ashley. An sie wird sich niemand erinnern. Sie ist umsonst gestorben.«
    Bevor ich reagieren konnte, hatte sich Hopper über sie gebeugt und schüttelte sie grob an den Schultern.
    »Du kannst es mit ihr nicht aufnehmen …«
    Ich packte Hopper, zerrte ihn von ihr weg und schubste ihn auf das Sofa.
    »Was ist los mit dir, verdammt nochmal?«,
schrie ich ihn an.
    Hopper wirkte genauso verblüfft über das, was er gerade getan hatte, wie ich. Ich drehte mich wieder zu Marlowe um. Sie war in ihrem Sessel zusammengesackt und regte sich nicht.
    Oh Gott.
    Es sah so aus, als habe er gerade das letzte bisschen Leben aus ihr herausgeschüttelt.
    Jetzt würden wir alle
Old Sparky
persönlich kennenlernen.
    Nora rannte zur Lampe und schaltete sie aus. Sofort verwandelte sich der Raum wieder in verschlafene Ranken und scharfkantige Steine, Marlowe war jetzt ein schwer zu packendes schwarzes Tier, das verletzt im Sessel lag. Nach einem Augenblick bemerkte ich mit Schrecken, dass sie wimmerte, ein schwaches Stöhnen, das aus einer dunklen Ecke tief in ihr zu sickern schien.
    »Es tut uns leid«, flüsterte Nora, die sich neben sie gehockt und ihr eine Hand auf ein Knie gelegt hatte. »Er wollte Ihnen nicht weh tun. Möchten Sie was trinken? Wasser vielleicht?«
    Schlagartig hörte Marlowe auf zu weinen – als hätte jemand einen Schalter umgelegt.
    Sie hob den Kopf.
    »Ah,
ja
, Kindchen. Da ist noch, äh, Sodawasser« – sie drehte sich in ihrem Sessel herum und reckte den Hals zur anderen Seite des Zimmers –, »da hinten im Bücherregal, zweites Regal, hinter
Die Schatzinsel
ist noch, äh,
Wasser
. Wenn du mir das holen könntest, Kleines?«
    Sie zeigte energisch auf die Regale an der hinteren

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