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Die amerikanische Nacht

Die amerikanische Nacht

Titel: Die amerikanische Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marisha Pessl
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Abrissbirnen aufeinander, sie befriedigen ihr Verlangen sofort und auf der Stelle, als stünde das Ende der Welt bevor. Wir trafen uns ein paarmal in der Stadt, und noch im gleichen Monat lud er mich auf sein Anwesen ein. Er gab mir eine eigene Suite im obersten Turm, Mahagoni und rote Damastvorhänge, der schönste Raum, den ich je gesehen hatte. Als ich Wochen später in der Stadt war und im Inkblot Diner aß, setzte sich ein bärtiger Mann in einer Latzhose und mit einem Zahnstocher im Mund direkt mir gegenüber. Er fragte mich, ob ich an einem für beide Seiten gewinnbringenden Geschäft interessiert sei. Ich hatte damals kein Geld. Ich dachte, wenn ich die Leute aus der Gegend für mich einnehmen könnte, würde mir das beim Aufbau meiner Gemeinde helfen.«
    »Sie sind aber eigentlich gar kein Priester«, murmelte ich.
    »Ich habe zwei Jahre lang das Priesterseminar besucht. Aber es stimmt, ich habe abgebrochen.«
    »Und doch sind Sie so gekleidet. Ist das nicht Frevel?«
    Er lächelte nur schwach und rieb seine Handflächen aneinander.
    »Warum haben Sie abgebrochen?«, fragte Nora.
    »Ich hatte nicht das Zeug dazu, um mich in der katholischen Kirche durchzusetzen.«
    »Komisch, mir ist aufgefallen, dass Abschaum oft mit überraschender Leichtigkeit die obersten Ämter der Bistümer erreicht«, sagte ich.
    Villarde antwortete nicht und ich drehte mich nach Sam um. Sie ließ gerade das Plastikpferd über die Tischplatte tanzen.
    »Also, wie sah dieses
für beide Seiten gewinnbringende Geschäft
aus?«, fragte Hopper.
    »Ich sollte ihnen helfen, auf das Grundstück zu gelangen«, sagte Villarde. »Das war leicht. Ich musste bloß ein Stück Militärzaun am südlichen Rand des Grundstücks durchtrennen. Dadurch konnten sie The Peak mit Kanus über einen kleinen Bach erreichen, der in einen der großen Seen auf dem Gelände mündete. Ich wurde außerdem gebeten, die Tunnel wieder zu öffnen.«
    »Die Tunnel?«, fragte ich.
    »Unter der gesamten Fläche von The Peak erstreckt sich ein Labyrinth unterirdischer Gänge. Die hat man beim Bau des Hauses angelegt, damit die Bediensteten sich auch bei schlechtem Wetter auf dem Gelände bewegen konnten. Stanislas wusste davon nichts, als er das Anwesen erstand. Das britische Ehepaar, das The Peak vor Stanislas bewohnte, hatte sie verschließen lassen, und der Makler wusste nicht von ihrer Existenz. Dieser bärtige Fremde wollte, dass ich sie öffnete. Das war recht einfach und dauerte nur ein paar Nächte. Sie waren primitiv versperrt worden, mit irgendwelchen Brettern und Nägeln. Auf die Ziegelsteine hatte ein offensichtlich Wahnsinniger Teile von Gedichten und einzelne Verse in Spiegelschrift geschrieben. Außerdem wollten sie, dass ich das Haupttor öffnete. Jeden Mittwoch ging ich um Mitternacht durch den Tunnel, der zum Torhaus führte – das waren gut drei Kilometer –, und sperrte das Tor auf. Dann ging ich einfach wieder ins Bett. Die Tunnel waren enorm und angeordnet wie ein Spinnennetz. Es gibt einen Mittelpunkt, von dem aus man alle Tunnel sehen kann, die in andere entlegene Teile des Geländes führen. Ich wusste nicht, welcher wohin führt. Ich orientierte mich immer an dem einen Tunnel, der zum Torhaus führte. Das war der einzige, in den ich mich hineintraute. Und das war’s. Sicher, ich habe Cordova damit hintergangen. Aber ganz ehrlich, ich wusste nicht, was so schlimm daran war. Das Grundstück war riesig. Warum sollte man diese armen Menschen, die nichts hatten, nicht auf dem Gelände ihren heidnischen Ritualen nachgehen lassen, wenn es sie glücklich machte?«
    »Haben Sie an den Ritualen teilgenommen?«, fragte Hopper.
    Villarde wirkte beleidigt. »Natürlich nicht.«
    »Aber Cordova schon«, sagte ich unverblümt.
    Villarde schloss einen Moment lang die Augen, als bereitete ihm der Gedanke Schmerzen.
    »Eines Nachts entdeckte er die Tunnel, als er eine Frau hineinrennen sah, die auf dem Weg zu ihrem Treffpunkt war. Stanislas folgte ihr. Er hatte vor, sie alle zur Rede zu stellen. Aber stattdessen wurde er selbst darin verwickelt.« Er lächelte schwach. »›Es findet sich für jeden ein Köder, an den er anbeißen muss.‹«
    »Worin bestanden diese Rituale?«, fragte ich.
    »Ich weiß es nicht. Stanislas weigerte sich, es mir zu erzählen.«
    »Welcher Natur war Ihre Freundschaft mit Stanislas?«
    Die Frage machte ihn verlegen. »Wir … waren miteinander verbunden.«
    »Das behaupten Sie«, brummte Hopper. »Schon lustig, wie einseitig so was

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