Die amerikanische Nacht
das man die Zufahrt beobachten konnte, einem Schreibtisch mit einem veralteten Computer und einem verstaubten Bürostuhl. Auf dem Boden lag nichts – bis auf einen kleinen schwarzen Teppich in der Ecke.
Ich ging darauf zu und zog den Läufer zur Seite.
Da war es
: eine kleine hölzerne Bodenluke. Ich schob die Metallriegel zur Seite, packte den Ring, zog die Luke auf und blickte in das schwarze Loch hinab.
Eine Betontreppe, kaum dreißig Zentimeter breit, führte steil nach unten. Ich ging ein paar Stufen hinab und bückte mich, um mich umzusehen.
Der Tunnel, der sich vor mir erstreckte, war
schwarz
. Nur ein paar Meter weit konnte ich die Backsteinmauern erkennen, bevor alles in einer Dunkelheit versank, die so vollkommen war, als sei dieser Teil der Welt nie fertig geworden – eine rohe Kante der Erde, hinter der nicht einfach Dunkelheit lag, sondern das
Weltall
.
Ich starrte in den Tunnel hinein, und mein Kopf drängte mich,
verdammt nochmal, von hier abzuhauen
, die Luke zu schließen und über den Zaun zu klettern, solange ich die Gelegenheit dazu hatte.
Doch was hatte ich gegen Cordova in der Hand? Was wusste ich wirklich?
Ich versuchte, mir im Kopf ein paar handfeste Tatsachen zurechtzulegen, um mich daran festzuhalten. In meiner Tasche hatte ich einige Gegenstände, die den Mann
vielleicht
belasten würden, doch vor Gericht genauso gut zu gar nichts führen konnten. Ich hatte Geschichten, Augenzeugenberichte, Zeugenaussagen und die Tatsache, dass Ashley tot war. Aber reichte das, um ihn fertigzumachen? Ich hatte Cordova, meinen großen weißen Wal, nicht wirklich aufgespießt. Er konnte weitermachen mit seiner schwarzen Magie, den echten Schrecken. Ashley war tot, also war ein Austausch nicht mehr notwendig, aber hatte er aufgehört? Was hatte ich mit eigenen Augen gesehen?
Während ich darüber nachdachte, schienen sich die verfallenden Wände des Tunnels unmerklich um mich herum zusammenzuziehen.
Doch was genau erwartete mich, wenn ich unversehrt von hier entkam?
Eine leere Wohnung. Niemand würde auf mich warten, wenn ich in die Perry Street zurückkam. Das Leben würde weitergehen wie bisher. Ich würde weitermachen wie bisher. Allein diesen Gedanken fand ich plötzlich unerträglich.
Worauf zur Hölle wartete ich?
Wann lag die Wahrheit im Leben schon einmal direkt vor einem? Denn sie war hier, hinter dieser absoluten Dunkelheit. Selbst wenn ich sie jetzt noch nicht sehen konnte, war sie irgendwo vor mir.
Traue ich mich? Ich ging drei Stufen weiter hinunter. Die Luft war kalt, eine Eiseskälte, die mir in die Knochen zu schneiden schien. Ich setzte meinen Rucksack ab und suchte darin nach der Taschenlampe. Ich probierte sie ein weiteres Mal aus, doch sie funktionierte immer noch nicht. Ich holte eine verschließbare Tüte mit Streichhölzern heraus, setzte den Rucksack wieder auf und zündete ein Streichholz an.
Die winzige orangefarbene Flamme zitterte, als ich sie vor mich hielt.
Ich hätte fast laut aufgelacht. Die Dunkelheit wurde nur wenige Zentimeter zurückgedrängt. Die Mauern aus roten Ziegelsteinen zerfielen, die Decke war niedrig und verschimmelt. Der Gang sah aus wie eine vertrocknete Arterie zur Hölle. Ich sah auf die Uhr.
19 : 58 Uhr. Ich lag unglaublich gut in der Zeit.
Ich ging die Treppe hinauf und griff nach der Luke. Mit einem unumstößlichen dumpfen Schlag zog ich sie über mir zu.
Hatte ich mich gerade in meinem eigenen Sarg eingeschlossen?
*
Das Streichholz ging unvermittelt aus. Ich zündete ein weiteres an und ging los.
Als auch das erlosch, eilte ich so schnell ich konnte durch die Dunkelheit. In der Schachtel waren einhundert Streichhölzer. Ich musste sie mir einteilen. Ich erinnerte mich, dass die Spinne von einer Strecke von drei Kilometern zwischen Torhaus und Haupthaus gesprochen hatte.
Wenn ich sechs Kilometer die Stunde ging, hätte ich in einer Viertelstunde die halbe Strecke zurückgelegt.
Ich wartete, bis meine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, doch nach einer Weile stellte ich fest, dass das schwarze Wirbeln, in das ich starrte, bereits das Ergebnis der Gewöhnung war.
Meine Schritte waren das Metronom für mein Atmen.
Außer diesem Geräusch, dem Knirschen meiner Wanderstiefel auf dem schmutzigen Boden, war hier nichts zu hören, nur ein deutlicher Druck war zu spüren – als führte dieser Abschnitt unter einem Gewässer hindurch.
Als ich die Dunkelheit nicht länger ertragen konnte und nicht mehr genau wusste, ob ich mich
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