Die amerikanische Nacht
Peak eingebrochen.
Sie hatten mich an der Mount Arab Road gefunden, nicht weit vom Highway New York State Route 3 und von Tupper Lake. Weil ich mir so viele Karten der Umgebung angesehen hatte, wusste ich, dass es gut zweiundzwanzig Kilometer vom Lows Lake entfernt war und gut zweiunddreißig von The Peak.
War ich durch die Wildnis gelaufen und ohnmächtig geworden? Oder hatte mich jemand dorthin gefahren und mich wie einen Müllsack am Straßenrand liegen gelassen?
Ich hatte keine Ahnung. Meine Erinnerungen schienen demoliert, zerrissen und zerknüllt und dann willkürlich in meinem Kopf verteilt worden zu sein.
Als die Teenager mich fragten, was geschehen sei, gelang es mir, eine Geschichte von zu viel Alkohol beim Junggesellenabschied am Vorabend und von Freunden, die ich verloren hatte, zu erfinden. Doch je länger wir fuhren, desto mehr wich meine Verwirrung darüber, wo ich gerade aufgewacht und was zur Hölle mit mir geschehen war, einer Paranoia über meine Gegenwart, unter anderem, was die beiden Jugendlichen anging, die mich zufällig gefunden hatten. Sie hatten etwas an sich, das mir ein wenig zu lebendig vorkam – vom
Peace
-Zeichen, das er sich mit blauem Stift auf den Arm gezeichnet hatte, ihren nackten Füßen mit den gelb lackierten Nägeln, die sie auf das Handschuhfach gelegt hatte, bis zu der Art, wie er das Radio aufdrehte, als Dylans »Tangled up in the Blue« gespielt wurde. Sie wirkten wie leicht überzeichnete Figuren aus einem Cordova-Film. Der Verdacht ließ mein Herz vor Angst pochen, während ich auf der Rückbank saß und das Marihuanablatt betrachtete, das vom Rückspiegel baumelte.
Ich glaubte nicht daran, wirklich aus The Peak entkommen zu sein, bis wir auf den Parkplatz des Evening Shade Motels rollten. Ich dankte den beiden und stieg aus. Dann wartete ich, bis sie zurück auf der Straße waren und beschleunigten, bevor ich zum Zimmer mit der Nummer neunzehn ging.
Einen Augenblick lang starrte ich bloß die Tür an und fragte mich, was ich auf der anderen Seite vorfinden würde.
Ein leeres Zimmer, das seit unserem Aufbruch niemand betreten hatte?
Oder wohnte dort jetzt ein Fremder, jemand, der behauptete, seit Wochen hier zu sein, und keine Spur von Hopper oder Nora? Oder würde auf mein Klopfen hin eine dieser Gestalten im schwarzen Umhang die Tür öffnen und der Albtraum von neuem beginnen?
Ich klopfte. Erst tat sich nichts.
Und dann wurde die Tür, durch die Türkette gesichert, einen Spaltbreit geöffnet – jemand blickte heraus. Sie schloss sich wieder, die Türkette wurde gelöst, und plötzlich schlang mir Nora die Arme um den Hals. Hopper erschien direkt hinter ihr und zog uns hinein. Er warf einen misstrauischen Blick auf den Parkplatz und verriegelte dann die Tür.
Wir beschlossen, zuallererst aus dem Motel auszuchecken, ins Auto zu steigen und von hier abzuhauen. Nora war aufgeregt und hatte, wie mir auffiel, schlimme Kratzer an den Wangen. Sie sagte immer wieder, »Was ist mit dir passiert? Wir dachten, die haben dich erwischt. Wir dachten …« Aber Hopper blaffte uns nur an, wir sollten sofort von hier abhauen und uns anschließend unterhalten. Seine knappe Erklärung war, dass ihm ein verbeulter, kastanienbrauner Pontiac aufgefallen war, der auf dem Parkplatz herumlungerte.
»Das müssen
die
sein«, murmelte er, zog den Reißverschluss seiner grauen Kapuzenjacke hoch und nahm seine Feldflasche vom Bett. »Die Fenster sind schwarz getönt. Er sieht aus wie aus den Siebzigern. Und einer der Frontscheinwerfer fehlt.«
Während ich zusah, wie die beiden durch den Raum eilten und hastig Kleidung, Waschzeug und Essen in ihre Rucksäcke stopften, fiel mir auf, dass ich meinen nicht mehr hatte.
Wo hatte ich den Rucksack gelassen? Diese Gestalten hatten ihn mir abgenommen.
Ich trat benommen vor den Spiegel neben einem der Betten und sah, dass ich noch immer Brad Jacksons Fischgrätmantel trug. Er war extrem schwer, was nicht nur an der Feuchtigkeit und dem Schlamm lag, sondern an den Taschen – sie waren vollgestopft mit Gegenständen. Einen davon konnte ich mich nicht erinnern, je zuvor gesehen, geschweige denn mitgenommen zu haben.
Und dann sah ich mein Gesicht. Jetzt verstand ich, wieso die Teenager so geschockt reagiert und Nora und Hopper sich so besorgte Blicke zugeworfen hatten.
Ich sah aus wie ein Verrückter. Es gab kein anderes Wort, um es zu beschreiben.
Ich wusch mir den Schlamm im Badezimmer ab und sah zu, wie der dicke Matsch im Abfluss
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