Die amerikanische Nacht
Päckchen abgekauft. Er mochte den Geruch nach Karamell, die prachtvolle Verpackung
und
den Umstand, dass sie das einzige Detail waren, das er von seinem leiblichen Vater in Erinnerung behielt, einem Spanier, den er mit drei Jahren zum letzten Mal gesehen hat. Aber vor allem mochte er die Art, wie sie brennen. Es gibt nichts Vergleichbares. In den Filmen gibt es Hunderte Aufnahmen davon. Der Rauch windet sich durch die Luft wie ein Lebewesen. ›Wie ein Schwarm weißer Schlangen, die sich zu befreien versuchen‹, so hat er es einmal beschrieben.«
Sie hatte mit dieser seltsamen unkontrollierten Leidenschaft gesprochen, ihre leuchtenden Augen blickten hoch zur Decke, ihr Mund zuckte freudig. Doch dann besann sie sich – und erinnerte sich an mich – und unterbrach sich.
»Ich verstehe nicht, wieso das alles so wichtig für Sie ist, diese
Details
«, brummte sie verärgert.
»Da steckt der Teufel drin. Wussten Sie das nicht?«
Sie musterte mich verächtlich. »Sie waren Ihr Leben lang genug unter Tage, Mr McGrath. Vielleicht wird es Zeit, zurück an die Erdoberfläche zu kommen und nach Hause zu gehen, mit den Brocken Kohle, die Sie da unten losgeschlagen haben.«
»Und meines Weges zu gehen. Wie alle anderen.«
Sie zuckte unbeirrt mit den Schultern. »Machen Sie mit den Informationen, was Sie wollen. Natürlich gibt es niemanden mehr, der Ihre Geschichte bestätigen würde. Sie stehen wieder allein da mit Ihren wilden Behauptungen.«
Ich starrte sie an und kam nicht umhin, die selbstgefällige Akribie dieser Frau zu bewundern, und wie sie es geschafft hatte, jeden einzelnen Zeugen aus dem Weg zu räumen, einen nach dem anderen.
»Was ist mit Ashleys Mutter geschehen? Astrid?«
»Die ist weg. Irgendwo in Europa. Jetzt, da ihr geliebtes Kind tot ist, hält sie hier nichts mehr. Zu viele dunkle Erinnerungen.«
»Aber die stören Sie nicht.«
Sie lächelte. »Meine Erinnerungen sind alles, was ich noch habe. Und wenn ich nicht mehr da bin? Sind sie weg.«
Ich runzelte die Stirn. Plötzlich kamen mir wieder Zweifel an dem, was sie mir erzählt hatte. Vielleicht war es das letzte Aufbäumen der Magie – die Kirine und Teufel, die übernatürlichen Kräfte einer erstaunlichen Frau –, bevor der Spuk endgültig vorbei war.
»Aber ich war in The Peak«, sagte ich. »Ich bin dort eingebrochen …«
»Wirklich?«, unterbrach mich Gallo aufgeregt. »Was haben Sie gefunden?«
Ihre Reaktion war, gelinde gesagt, merkwürdig. Sie schien sich über mein Geständnis tatsächlich zu freuen.
»Eine kreisrunde Lichtung, auf der nichts wächst«, erzählte ich. »Ein Labyrinth aus Tunneln. Tonbühnen. Komplett intakte Filmsets. Alles überwuchert und schwarz. Ich habe die Teufelsbrücke überquert. Und ich sah …«
Gallo hörte mir so aufgeregt und begierig zu, dass ich verunsichert verstummte.
»Wer wohnt da?«, fragte ich. »Wer sind die Wachleute mit den Hunden?«
Sie schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung.«
»
Was?
Sie … Sie arbeiten gar nicht mehr für die Familie?«, fragte ich.
»Sie verstehen es nicht. The Peak wurde den Fans überlassen.«
»Was?«
»Den Cordoviten. Es gehört jetzt ihnen. Sie haben es übernommen. Viele wohnen das ganze Jahr dort. Es ist ein gefährlicher Themenpark, der seinen größten Fans gratis zur Verfügung steht. Es ist zu einem geheimen Initiationsritus geworden, es ist Kult, dorthin zu reisen und durch das Werk zu laufen oder sich davon verschlingen zu lassen. Sie können sich darum streiten, es in Schuss halten, zerstören, darüber herrschen, wie sie wollen.
Er
ist seit Jahren nicht da gewesen. Er ist damit durch. Seine Arbeit ist erledigt.«
Ich fragte mich, ob es tatsächlich wahr sein konnte – die Männer, die mich verfolgt hatten, die Köter, die an die Wände gesprühten roten Vögel. Hatte ich mir von
Fans
solche Angst einjagen lassen? Ich hatte es kaum geschafft, das in meinen Kopf zu kriegen, als mir klarwurde, dass mir keine andere Wahl blieb, als diese andere Frage zu stellen, die sie mir vor die Nase hielt.
»Wo ist er?«, fragte ich.
»Ich habe mich schon gefragt, wann diese Frage kommen würde.« Sie drehte sich weg und sah in den Raum hinein, ihre Miene war wie die eines Truckers, der auf die einsame Straße blickt, die sich endlos vor ihm erstreckt.
Ich hatte plötzlich diesen betrunkenen Journalisten aus Südafrika vor Augen, der mich vor Jahren gewarnt hatte, dass manche Geschichten infiziert seien, dass sie wie ein Bandwurm seien.
Ein
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