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Die amerikanische Nacht

Die amerikanische Nacht

Titel: Die amerikanische Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marisha Pessl
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hatte.
Vertraue nie einem charismatischen Herumtreiber.
    »Vielleicht ist ja was drin«, sagte ich und drehte das Stofftier um. Ich nahm mein Taschenmesser und trennte den Rücken des Affen auf. Ich zog die Füllung heraus, die gelb und verknotet war, und tastete die Innenseite ab. Da war nichts.
    Ich bemerkte, dass mein Handy brummte, eine Nummer aus Florida.
    »Hallo?«
    »Kann ich bitte mit Mr Scott McGrath sprechen?«
    Es war eine Frau, die Stimme klang klar und melodisch.
    »Am Apparat.«
    »Hier ist Nora Halliday. Von der Garderobe. Ich bin gerade Ecke 45 th und Eleventh Avenue. Im Pom Pom Diner. Können Sie kommen? Wir müssen uns unterhalten.«
    » 45 th und Eleventh. Geben Sie mir fünfzehn Minuten.«
    »Okay.« Sie legte auf. Kopfschüttelnd stand ich auf.
    »Wer war das?«, fragte Hopper.
    »Eine Garderobenfrau, der letzte Mensch, der Ashley lebend gesehen hat. Gestern hat sie fast dafür gesorgt, dass man mich festnimmt. Und heute will sie reden. Ich muss los. Den Affen nehme ich solange an mich.«
    »Kein Problem.« Er schnappte ihn sich und sah mich misstrauisch an. Dann schob er ihn zurück in den Umschlag und verschwand mit dem Paket im Schlafzimmer.
    »Danke, dass du dir die Zeit genommen hast«, rief ich über die Schulter. »Ich melde mich, wenn ich irgendwas höre.« Doch plötzlich stand Hopper direkt hinter mir im Hausflur und zog sich seinen grauen Mantel über.
    »Cool«, sagte er. Er schloss die Tür ab und machte sich auf den Weg nach unten.
    »Wo gehst du hin?«
    » 45 th und Eleventh. Ich treffe da eine Garderobenfrau.«
    Während seine Schritte durchs Treppenhaus hallten, ärgerte ich mich, dass ich erwähnt hatte, wohin ich wollte. Ich arbeitete
solo
, schon immer.
    Doch dann folgte ich ihm die Treppe hinab. Vielleicht war es gar keine
so schlechte
Idee, mit ihm zusammenzuarbeiten, nur dieses eine Mal. Quantenmechanik und Stringtheorie waren das Eine, aber ein noch viel komplexeres Naturphänomen waren die Frauen. Und nach meinen Erfahrungen mit diesem heiklen Thema – wozu jahrzehntelanges Trial-and-Error und das Verwerfen der wertlosen Ergebnisse vieler Jahre Forschung (Cynthia) genauso gehörten wie die Erkenntnis, dass ich auf diesem Gebiet nie Spitze sein würde, höchstens ein mittelmäßiger Wissenschaftler –, gab es bei ihnen nur eine erkennbare Konstante: Wenn ein Typ wie Hopper in der Nähe war, zerschmolzen Eisberge zu Pfützen.
    »
Gut
«, rief ich. »Aber ich übernehme das Reden.«

13
    Das Pom Pom war ein Diner alter Schule, so schmal wie ein Eisenbahnwagen.
    Nora Halliday saß in einer Nische ganz hinten, vor einer Fototapete von Manhattan. Sie war auf ihrem Sitz weit hinuntergerutscht und hatte ihre dünnen Beine ganz ausgestreckt. Sie
saß
nicht einfach in dieser Nische. Sie sah aus, als habe sie zwei Monatsmieten plus Kaution und überzogener Maklerprovision bezahlt, einen Mietvertrag unterschrieben und sei in die Nische
eingezogen
.
    Auf einer Seite von ihr standen zwei riesige Drogeriemarkttüten, auf der anderen eine braune Papiertüte aus dem Biosupermarkt
Whole Foods
und eine große graue Lederhandtasche. Die Tasche lag schlapp und offen da wie ein ausgenommener Riffhai, in dem alles zu sehen war, was er am Morgen zu sich genommen hatte: eine
Vogue
, einen grünen Pullover, an dem noch die Stricknadeln hingen, einen Turnschuh, weiße Apple-Kopfhörer, die aber nicht um einen iPod gewickelt waren, sondern um einen
Discman
. Genauso gut hätte es ein Grammophon sein können.
    Sie bemerkte nicht, dass wir uns ihr näherten, weil sie mit geschlossenen Augen vor sich hin flüsterte – offenbar versuchte sie, den markierten Text des Stücks auswendig zu lernen, das sie in der Hand hielt. Vor ihr auf dem Tisch schwamm ein halbgegessenes French Toast in der Siruplache wie ein Hausboot auf dem Mississippi.
    Sie sah zu mir hoch, dann zu Hopper. Augenblicklich setzte sie sich auf – wahrscheinlich geschockt durch sein gutes Aussehen.
    »Das ist Hopper«, sagte ich. »Ich hoffe, es ist okay, dass er dabei ist.«
    Hopper sagte nichts, er rutschte bloß ihr gegenüber in die Nische.
    Ihre Aufmachung war seltsam: stonewashed Jeans wie aus einem Achtziger-Jahre-Film, ein Wollpullover in einem grellen Pink, das in den Augen schmerzte, fingerlose schwarze Wollhandschuhe, dunkelrosa Lippenstift. Anders als gestern Abend trug sie ihr hellblondes Haar offen und mit Mittelscheitel. Es war überraschend lang und reichte ihr bis zu den Ellbogen. Die Spitzen waren

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