Die Analphabetin, die rechnen konnte: Roman (German Edition)
Steuer und Celestine neben ihm (die Handschellen hatte sie in ihrer Handtasche versteckt). Die Assistentin setzte sich auch noch ins Führerhäuschen, wo es nun endgültig zu eng wurde, und Nombeko und Holger 2 wechselten in den Laderaum.
Die Fahrt ging nicht allzu weit. Erst die Källargränd und den Schlosshügel hinunter. Dann nach links auf den Parkplatz und den ganzen Weg wieder hinauf. Vielleicht wäre es besser, wenn der Fahrer das letzte Stückchen rückwärts fahren könnte? Stopp! Ja, wunderbar.
Die Assistentin stieg aus, klopfte an eine unscheinbare Tür und schlüpfte hinein, als geöffnet wurde. Wenig später kam erst der Ministerpräsident heraus, gefolgt vom König, und dann Präsident Hu Jintao nebst Dolmetscher. Der chinesische Präsident hatte sich offenbar wirklich für Nombeko und ihre Freunde verbürgt, denn die Sicherheitskräfte blieben alle an der Schwelle stehen.
Nombeko erkannte den chinesischen Dolmetscher wieder, obwohl ihre Begegnung schon über zwanzig Jahre zurücklag.
»Na, nun sind Sie ja doch nicht gestorben«, sagte sie.
»Kann ja immer noch passieren«, antwortete der Dolmetscher säuerlich. »Nachdem man gehört hat, was Sie da so in Ihrem Lkw spazierenfahren.«
Holger 2 und Nombeko forderten den Ministerpräsidenten, den König und den Präsidenten auf, den Laderaum des Kartoffellasters zu besichtigen. Der Ministerpräsident zögerte nicht. Diese schreckliche Behauptung musste überprüft werden. Der König folgte ihm. Der chinesische Präsident hingegen war der Meinung, dass es sich hier um ein innenpolitisches Problem handelte, und ging wieder ins Schloss. Im Gegensatz zu seinem neugierigen Dolmetscher, der noch einen kurzen Blick auf die Kernwaffe werfen wollte. Die Leibwächter wanden sich auf der Schwelle. Was hatten König und Ministerpräsident im Laderaum eines Kartoffellasters zu suchen? Das wollte ihnen gar nicht gefallen.
Die Ironie des Schicksals wollte es, dass in diesem Augenblick eine Gruppe chinesischer Touristen samt Fremdenführer erschien, die sich verlaufen hatte. Daher musste die Tür des Laderaums schleunigst geschlossen werden, und dummerweise wurden dem Dolmetscher dabei die Finger eingeklemmt. Nombeko und die anderen hörten ein »Hilfe, ich sterbe!« von draußen, und Holger 2 klopfte gegen die Scheibe zum Führerhäuschen, um Nummer eins zu bitten, das Licht im Laderaum anzuschalten.
Holger 1 knipste brav die Lampe an, drehte sich um und – erblickte den König! Und den Ministerpräsidenten.
Doch vor allem den König. Du liebe Güte!
»Das ist der König, Papa«, flüsterte Holger 1 Ingmar Qvist im Himmel zu.
Und Papa Ingmar antwortete:
»Fahr zu, mein Sohn! Fahr zu!«
Da fuhr Holger zu.
6. TEIL
Ich habe niemals in meinem Leben einen Fanatiker mit Sinn für Humor gesehen.
Amos Oz
20. KAPITEL
Davon, was Könige tun und was sie nicht tun
Der Kartoffellaster war eben erst losgefahren, als Nombeko auch schon am Zwischenfenster zum Führerhäuschen war und Holger 1 mitteilte, wenn er diesen Tag überleben wolle, solle er den Lkw augenblicklich zum Stehen bringen.
Doch Nummer eins, der sich nicht sicher war, ob er das wollte, bat Celestine, die Trennscheibe zuzuschieben, damit er das Gequatsche von da hinten nicht mehr hören musste.
Das tat sie gern, und sie zog auch noch die Gardine vor, damit sie Seine Majestät in seinem dunkelblauen Marinejackett, der weißen Weste, der dunkelblauen Hose mit Goldlitzen, dem weißen Frackhemd und der schwarzen Fliege nicht mehr sehen musste.
Sie war so stolz auf ihren Rebellen.
»Wir fahren zurück zu Oma, oder?«, sagte sie. »Oder hast du eine bessere Idee?«
»Schatz, du weißt sehr gut, dass ich keine bessere Idee habe«, sagte Holger 1.
Der König wirkte am überraschtesten von der Wendung der Dinge, während der Ministerpräsident sich schrecklich aufregte.
»Was, zum Teufel, geht hier vor?«, fragte er. »Wollen Sie den Ministerpräsidenten und den König kidnappen? Zusammen mit einer Atombombe! Eine Atombombe in meinem Schweden, wer hat Ihnen das überhaupt genehmigt?«
»Na, das Königreich Schweden ist ja wohl eher meins«, sagte der König und setzte sich auf die nächstbeste Kartoffelkiste. »Im Übrigen teile ich natürlich die Empörung des Ministerpräsidenten.«
Nombeko erwiderte, dass es vielleicht gar nicht mehr sonderlich wichtig war, wessen Land es nun war, wenn es am Ende in die Luft flog. Diese Äußerung bereute sie im nächsten Moment, denn nun wollte der
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