Die Analphabetin, die rechnen konnte: Roman (German Edition)
zweitägiges Programm, bevor er ins nächste Land weiterreiste, das bei seinem Afrikabesuch auf dem Programm stand: Mosambik.
Was den Besuch in Südafrika von den vorangegangenen Besuchen in Kamerun, Liberia, Sudan, Sambia und Namibia unterschied, war der Umstand, dass der Präsident sich ausgebeten hatte, einen Abend in Pretoria ganz allein verbringen zu dürfen.
Dagegen konnten die Gastgeber natürlich nichts einwenden. Deswegen wurde der Staatsbesuch von kurz vor sieben Uhr abends bis zum Frühstück am nächsten Morgen vorübergehend ausgesetzt.
Gongschlag 19 Uhr wurde der Präsident vor seinem Hotel von einer schwarzen Limousine abgeholt, die ihn nach Hartfield in die schwedische Botschaft brachte.
Die Botschafterin höchstpersönlich empfing ihn an der Tür, zusammen mit Mann und Baby.
»Willkommen, Herr Präsident«, sagte Nombeko.
»Danke, liebe Frau Botschafterin«, sagte Präsident Hu. »Jetzt wäre es aber wirklich gelacht, wenn wir es nicht endlich schaffen würden, die Erinnerungen an unsere Safari auszutauschen.«
»Wir können ja auch noch ein bisschen über Menschenrechte plaudern«, sagte Nombeko.
»Pfui, nicht doch«, sagte Hu Jintao und küsste der Frau Botschafterin die Hand.
EPILOG
Im Sanitätsamt Johannesburg war es nicht mehr so lustig wie einst. Seit einer Weile hatte man per Quotenregelung auch schwarze Mitarbeiter einstellen müssen, und was da aus dem alten Jargon werden musste, war jedem klar. So konnte man die Analphabeten in Soweto nicht mehr als das bezeichnen, was sie waren, egal, ob sie es nun waren oder nicht.
Der Terrorist Mandela war zu guter Letzt aus dem Gefängnis entlassen worden, was an und für sich schon schlimm genug gewesen wäre. Doch dann wählten ihn die Schwarzen auch noch zum Präsidenten, woraufhin Mandela sich daran machte, das Land zu zerstören mit seiner verdammten Gleichheit für alle.
Piet du Toit war in seinen knapp dreißig Dienstjahren bis zum stellvertretenden Leiter des Sanitätsamts aufgestiegen.
Aber jetzt erwartete ihn ein neues Leben. Sein despotischer Vater war gestorben und hatte sein Lebenswerk dem einzigen Sohn vermacht (die Mutter war schon lange tot). Sein Vater war Kunstsammler gewesen, an sich nicht das Schlechteste, wenn er nicht so verdammt konservativ gewesen wäre. Und sich konsequent geweigert hätte, auf seinen Sohn zu hören. Er hatte einen Renoir, einen Rembrandt und den einen oder anderen Picasso. Einen Monet und einen Manet. Einen Dalí und einen Leonardo da Vinci.
Und noch so einiges anderes – und allen Objekten war gemeinsam, dass ihr Wertzuwachs minimal war. Es hätte alles ganz anders laufen können, wenn sein Vater nicht so stur gewesen wäre. Außerdem war der Alte so unprofessionell gewesen, dass er den ganzen Plunder zu Hause an die Wände hängte, statt ihn in einen klimatisierten Tresor zu sperren.
Piet du Toit musste eine Ewigkeit warten, bis er das alles übernehmen und endlich richtig aufziehen konnte. Denn sein Vater hatte sich nicht nur geweigert, in geschäftlichen Dingen auf ihn zu hören, er hatte sich auch noch geweigert zu sterben. Erst an seinem zweiundneunzigsten Geburtstag, als ihm ein Apfelbissen im Hals stecken blieb, war endlich sein Sohn dran.
Der Erbe wartete die Beerdigung noch ab, aber mehr auch nicht. Dann veräußerte er in rascher Folge sämtliche Gemälde seines Vaters. Das Kapital hatte er schon wenige Minuten später neu investiert, auf eine Art, die seinen Vater auch stolz gemacht hätte, wenn er genügend Verstand gehabt hätte. Sein Sohn war gerade in der Bank Julius Bär in der Bahnhofstraße in Zürich und hatte in diesem Moment die Bestätigung erhalten, dass das gesamte Familienvermögen – im Gegenwert von acht Millionen zweihundertsechsundfünfzigtausend Schweizer Franken – jetzt auf das Privatkonto eines Herrn Cheng T ā o in Shanghai überwiesen worden war.
Und du Toit junior hatte in die Zukunft investiert. Denn in Anbetracht der raschen Entwicklung in China, wo jetzt eine Mittelklasse und eine immer größere Oberklasse entstanden, würde sich der Wert traditioneller chinesischer Kunst innerhalb weniger Jahre vervielfachen.
Über das großartige Internet hatte Piet du Toit gefunden, was er suchte, woraufhin er sich nach Basel begab und sich mit Cheng T ā o und dessen drei Nichten einigte, dass er ihnen ihr gesamtes exklusives Lager von Töpferware aus der Han-Dynastie abkaufte. Das Echtheitszertifikat lag vor, Piet du Toit war es selbst mit der Lupe
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