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Die Analphabetin, die rechnen konnte: Roman (German Edition)

Die Analphabetin, die rechnen konnte: Roman (German Edition)

Titel: Die Analphabetin, die rechnen konnte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Jonasson
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sollte. Aber das war nun schon ein paar Stunden her. Jetzt ging er nicht mehr ans Telefon, und es war unmöglich, via Handy seine Position zu bestimmen. Und der König hatte gar kein Handy.
    Das Galadiner war längst vorüber, und die Gerüchteküche brodelte. Journalisten riefen an und fragten, warum die Gastgeber nicht teilgenommen hatten. Die Presseteams des Hofs und des Ministerpräsidenten hatten geantwortet, dass König und Ministerpräsident unglücklicherweise – und gänzlich unabhängig voneinander – unpässlich geworden waren, dass aber keiner von beiden ernstlich erkrankt war.
    Leider liegt es Journalisten nicht in den Genen, an derartige Zufälle zu glauben. Der Chef der Sicherheitspolizei spürte, dass sie alle ungeduldig auf etwas warteten, während er selbst dasaß und Däumchen drehte. Denn was, zum Teufel, hätte er schon unternehmen können?
    Er hatte an ein paar Stellen diskret vorgefühlt, indem er zum Beispiel mit dem Kommandanten der Spezialeinheit gesprochen hatte. Er sagte nicht, worum es ging, er deutete nur an, dass sich da vielleicht eine heikle Angelegenheit anbahnte, die darauf hinauslaufen könnte, dass man ein Gebäude stürmen und Menschen befreien musste. So ähnlich wie in Gnesta vor knapp zehn Jahren. Schweden war ein friedliches Land. Ein Einsatz der Eingreiftruppe alle zehn bis fünfzehn Jahre entsprach wohl ungefähr dem, was man hier erwarten konnte.
    Der Kommandant der Spezialeinheit hatte stolz erzählt, dass Gnesta sein erster und bis dato einziger Einsatz gewesen war und dass seine Truppe und er allzeit bereit waren.
    Der Chef der Sicherheitspolizei war damals noch nicht dabei gewesen, als Teile von Gnesta niederbrannten. Und er hatte auch die Berichte über die Vorfälle von damals nicht gelesen. Er hatte ein gutes, sicheres Gefühl mit diesem Spezialverband. Umso trauriger, dass eine der grundlegenden Voraussetzungen für die Befreiung des Königs und des Ministerpräsidenten nicht erfüllt war:
    Niemand wusste, wo zur Hölle sie sich aufhielten.
    * * * *
    B bat um einen vierten Schnaps. Und dann noch einen fünften. Der Agent wusste nicht viel über schwedische Gefängnisse, war sich aber ziemlich sicher, dass freier Alkohol nicht zum Angebot gehörte. Da bediente er sich doch lieber jetzt, solange er noch konnte.
    Der König äußerte sich anerkennend über das Tempo, das der Agent da vorlegte.
    »Vierzig Minuten, und Sie haben uns nicht nur eingeholt, sondern sogar überholt.«
    Der Ministerpräsident blickte vom Boden auf, den er gerade wischen wollte. Solche Scherze machte man nun wirklich nicht mit dem Geheimdienst eines anderen Landes.
    Die Gräfin Virtanen strahlte in Gesellschaft des Königs. Dass er König war, war schon mal ein guter Anfang. Obendrein konnte er Hühner schlachten wie ein echter Kerl, er wusste, wer Mannerheim war, er kannte die Schnapsmischung des Marschalls und hatte mit Urho Kekkonen Elche gejagt. Und dann nannte er sie auch noch »Gräfin«. Es kam ihr vor, als würde sie endlich jemand richtig wahrnehmen, als wäre sie wieder eine finnische Mannerheim, nachdem sie ihr ganzes Erwachsenenleben lang unter dem Namen Virtanen Kartoffeln angebaut hatte.
    Egal, was kam, wenn die Mannerheim’sche Mischung den Körper verlassen hatte und der König wieder weg war – in diesem Moment, auf dem Sofa zwischen dem König und dem unendlich müden Agenten, beschloss Gertrud:
    Ab jetzt würde sie Gräfin sein. Mit allen Schikanen!
    Holger 1 hatte völlig den Boden unter den Füßen verloren. Er begriff, dass in all den Jahren nur eines seine republikanische Gesinnung aufrechterhalten hatte, nämlich sein Bild von Gustaf V . in Paradeuniform, mit seinen Orden, dem Monokel und dem Spazierstock mit Silberknauf. Auf dieses Bild hatten er und sein Bruder in ihrer Kindheit mit Papa Dartpfeile geworfen. Und dieses Bild hatte er an seine geliebte Celestine weitergegeben. Und sie hatte es voll und ganz so übernommen.
    Sollten sie deswegen jetzt den Enkel von Gustaf V . in die Luft sprengen, zusammen mit sich selbst, Holgers Bruder und Celestines Großmutter?
    Wenn er nicht diese Hühner geschlachtet hätte. Und die Uniform ausgezogen und aufgehängt hätte. Die Ärmel seines blutbespritzten Hemdes hochgekrempelt. Gertrud erklärt, wie man einen Traktor repariert. Und einen Schnaps nach dem anderen gekippt hätte, ohne auch nur einmal die Nase zu rümpfen.
    Dass der Ministerpräsident in diesem Moment auf allen vieren herumrutschte, um einen Fleck vom Boden zu

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