Die Analphabetin, die rechnen konnte: Roman (German Edition)
das Match aufzugeben, bevor der Schlusspfiff ertönt war, dass hätte Michael Ballack nie gemacht. Das beidfüßige Talent des FC Karl-Marx-Stadt war inzwischen übrigens bis in die Nationalmannschaft aufgestiegen und Kapitän geworden.
B landete in Arlanda, wo er sich ein Auto mietete und geradewegs zu Celestine Hedlunds Großmutter fuhr. Er hatte sich wohl vorgestellt, das Haus leer stehend oder verschlossen und verriegelt vorzufinden – vielleicht hatte er das sogar gehofft. Die Reise hatte eigentlich das Ziel, dem Agenten seinen Seelenfrieden wiederzugeben, nicht eine Bombe zu finden, die ja doch unauffindbar war.
Aber nun stand ein Kartoffellaster auf der Straße direkt vor dem Haus der Großmutter und – im Haus waren alle Fenster erleuchtet! Warum stand der Laster da? Und was mochte sich in ihm verbergen?
Der Agent stieg aus, schlich zum Lkw, warf einen Blick in den Laderaum und – es kam ihm vor, als würde die Zeit stillstehen: Da drin stand die Kiste mit der Bombe! Außen angesengt, wie beim letzten Mal.
Da die Welt nun schon mal verrückt geworden zu sein schien, sah er nach, ob vielleicht sogar noch der Zündschlüssel steckte, aber so weit ging es dann doch nicht. Er musste also doch ins Haus gehen und sich mit den Leuten da drinnen auseinandersetzen – wen auch immer er dort antreffen mochte. Garantiert eine alte Dame von achtzig Jahren. Und ihre Enkelin. Den Freund der Enkelin. Und die verdammte Scheißputzfrau. Noch jemand? Tja, wahrscheinlich den unbekannten Mann, den er im Auto der Blomgrens gesehen hatte, als er vor dem abgebrannten Gebäude in der Fredsgatan in Gnesta stand.
Agent B zog die Dienstwaffe, die er hatte mitnehmen können, als er am letzten Tag im Dienst seine Sachen packte, und drückte probeweise die Klinke der Haustür herunter. Sie war unverschlossen. Er brauchte nur noch einzutreten!
* * * *
Fredrik Reinfeldt (mit der Spülbürste in der Hand) hatte verlangt zu erfahren, was hier eigentlich los war, und Nombeko hatte ihm auf Englisch mit der Wahrheit geantwortet, dass nämlich der Mossad gerade ins Haus eingedrungen war, in der Absicht, die Atombombe aus dem Kartoffellaster zu requirieren. Und vielleicht noch die eine oder andere anwesende Person um die Ecke zu bringen. In dieser Hinsicht sah sie sich selbst derzeit in größter Gefahr.
»Der Mossad?«, sagte der Ministerpräsident (ebenfalls auf Englisch). »Mit welchem Recht darf der Mossad mitten in meinem Schweden mit Waffen herumfuchteln?«
»In meinem Schweden«, korrigierte der König.
»In Ihrem Schweden?«, hörte Agent B sich selbst sagen, während er den Blick zwischen dem Mann mit Schürze und Spülbürste und dem Mann auf dem Sofa mit blutbespritztem Hemd und leerem Schnapsglas in der Hand hin- und herwandern ließ.
»Ich bin Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt«, sagte der Ministerpräsident.
»Und ich bin König Carl XVI . Gustaf«, sagte der König. »Der Chef des Ministerpräsidenten, könnte man sagen. Und das hier ist Gräfin Virtanen, die Gastgeberin dieses Abends.«
»Danke, danke, zu viel der Ehre«, sagte die Gräfin stolz.
Fredrik Reinfeldt war fast genauso außer sich wie vor ein paar Stunden im Kartoffellaster, als ihm aufging, dass er entführt worden war.
»Legen Sie sofort die Waffe aus der Hand, sonst rufe ich Ministerpräsident Olmert an und frage ihn, was hier los ist. Ich kann doch davon ausgehen, dass Sie in seinem Auftrag handeln, oder?«
Agent B rührte sich nicht vom Fleck. Ihn hatte so eine Art Hirnstillstand befallen. Er wusste nicht, was schlimmer war: dass dieser Mann mit Schürze und Spülbürste behauptete, Ministerpräsident zu sein, dass der Mann mit dem blutbespritzten Hemd und dem Schnaps behauptete, König zu sein, oder die Tatsache, dass Agent B tatsächlich glaubte, die beiden wiederzuerkennen. Sie waren Ministerpräsident und König. In einem Haus mitten im Wald, am Ende der Welt im schwedischen Roslagen.
Ein israelischer Geheimagent verliert niemals die Fassung. Aber genau danach sah es bei Agent B gerade aus. Er verlor die Fassung. Er ließ die Waffe sinken und steckte sie wieder in das Halfter unter seiner Jacke. Und sagte:
»Könnte ich wohl was zu trinken bekommen?«
»Gott sei Dank haben wir die Flasche noch nicht weggeräumt«, sagte Gertrud.
Agent B setzte sich neben den König und bekam umgehend eine Marschallmischung serviert. Er leerte sein Glas, schüttelte sich und nahm dankbar ein zweites entgegen.
Bevor Ministerpräsident Reinfeldt seine
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