Die Analphabetin, die rechnen konnte: Roman (German Edition)
richtig schwer machten. Auch wenn sich dieses Gefühl schwer in Worte fassen ließ. Vielleicht war es sein blutiges Hemd? Die hochgekrempelten Ärmel? Die goldenen Manschettenknöpfe, die der König bis auf Weiteres in ein leeres Schnapsglas auf dem Küchentisch gelegt hatte? Oder die Tatsache, dass das widerlich metallbeschwerte Marinejackett jetzt an einem Haken im Hühnerhaus hing?
Oder dass der König gerade drei Hühner geschlachtet hatte?
Könige schlachten doch keine Hühner!
Ministerpräsidenten klauben natürlich auch keine Kartoffeln (zumindest nicht im Frack), aber in erster Linie schlachten Könige keine Hühner.
Während Nummer eins und Celestine versuchten, mit diesen Widersprüchen klarzukommen, gelang es dem König, alles noch schlimmer zu machen. Gertrud und er kamen auf das Thema Kartoffelanbau und dann auch auf den alten Traktor, den die Gruppe eigentlich nicht mehr brauchte, was auch ganz gut war, weil er ja sowieso nicht mehr funktionierte. Gertrud beschrieb ihrem König das Problem, und er antwortete, dass der MF 35 wie eine hübsche Frau sei, der man immer ein bisschen schöntun muss, damit alles reibungslos läuft. Dann schlug er eine Reinigung des Dieselfilters und der Einspritzdüse vor. Solange noch Spannung auf der Batterie war, würde der Traktor dann schon wieder anspringen.
Dieselfilter und Einspritzdüse? Könige reparieren keine Traktoren.
Das Abendessen war beendet. Nach dem Kaffee spazierten der König und Gertrud zu zweit zur Scheune, wo sie einen Blick auf den MF 35 warfen, und kehrten dann ins Haus zurück, um einen letzten Mannerheimer zu kippen.
In der Zwischenzeit räumte Ministerpräsident Reinfeldt den Tisch ab und machte die Küche sauber. Um seinen Frack nicht schmutziger zu machen als nötig, band er sich eine Küchenschürze der Gräfin um.
Holger 1 und Celestine saßen in einer Ecke und tuschelten, während sein Bruder und Nombeko dasselbe in einer anderen Ecke taten. Sie besprachen flüsternd, wie die Lage aussah und welche strategischen Schritte wohl als Nächstes angebracht waren.
In diesem Moment flog die Tür auf. Ein älterer Mann mit Pistole kam herein und brüllte auf Englisch, dass niemand sich vom Fleck rühren oder plötzliche Bewegungen machen sollte.
»Was ist denn jetzt schon wieder los?«, fragte Fredrik Reinfeldt mit der Spülbürste in der Hand.
Nombeko antwortete dem Ministerpräsidenten auf Englisch: dass der Mossad gerade ins Haus eingedrungen war, in der Absicht, die Atombombe im Kartoffellaster für sich zu beanspruchen.
21. KAPITEL
Von einer verlorenen Fassung und einem Zwilling, der auf seinen Bruder schießt
Dreizehn Jahre sind eine lange Zeit, wenn man sie hinter einem Schreibtisch absitzt, ohne etwas Sinnvolles zu tun zu haben. Aber jetzt hatte Agent B auf jeden Fall den letzten Tag seiner Karriere hinter sich gebracht. Er war fünfundsechzig Jahre und neun Tage alt. Vor neun Tagen hatte er mit Mandeltorte und einer Rede Abschied von seinen Kollegen genommen. Da die Rede seines Chefs schön, aber falsch war, hatten die Mandeln für ihn allerdings einen bitteren Geschmack.
Nach einer Woche als Rentner hatte er einen Entschluss gefasst. Er packte seinen Koffer und fuhr nach Europa. Nach Schweden.
Der Fall mit der Putzfrau, die mit der Bombe verschwand, die sie Israel gestohlen hatte, hatte ihm immer weiter zugesetzt, und das wollte sich auch auf seine alten Tage nicht legen.
Wer war sie eigentlich? Sie hatte nicht nur diesen Diebstahl begangen, sondern hatte aller Wahrscheinlichkeit nach auch seinen Freund A auf dem Gewissen. Der ehemalige Agent B wusste nicht, warum ihn diese Geschichte so umtrieb, aber wenn einem etwas keine Ruhe lässt, dann lässt es einem eben keine Ruhe.
Er hätte mehr Geduld haben sollen, als er damals das Postfach in Stockholm beobachtete. Und er hätte auch mal bei Celestine Hedlunds Großmutter nachsehen müssen. Wenn er denn gedurft hätte.
Das war jetzt alles schon lange her. Und die Spur war von Anfang an keine besonders gute gewesen. Egal. Rentner B wollte zuerst in den Wald nördlich von Norrtälje fahren. Wenn sich dabei nichts ergab, würde er dieses Postamt mindestens drei Wochen lang observieren.
Hinterher konnte er eventuell wirklich in Pension gehen. Er würde sich immer noch dieselben Fragen stellen und niemals die Antwort finden. Doch zumindest hätte er dann das Gefühl, alles Menschenmögliche unternommen zu haben. Gegen einen überlegenen Gegner zu verlieren, war erträglich. Aber
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