Die Analphabetin, die rechnen konnte: Roman (German Edition)
Breitbandverbindungen erst ein knappes Jahrzehnt gab.
»Was haben Breitbandverbindungen denn mit der ganzen Sache zu tun?«, wollte Holger 2 wissen, doch die Antwort blieb sein Bruder ihm schuldig.
Holger 1 fuhr damit fort, dass jede Nation am besten daran tat, wenn sie in dieser Ära der Globalisierung an ihren ganz eigenen Symbolen festhielt. Er war der Meinung, dass die Republikaner unser Land ausverkaufen, unsere Identität gegen den Euro eintauschen und auf die schwedische Fahne spucken wollten.
In diesem Moment konnte Nombeko endgültig nicht mehr an sich halten. Sie ging zu Holger 1, klemmte seine Nase fest zwischen Zeige- und Mittelfinger – und drehte sie um.
»Aua!«, brüllte Holger 1.
»Mein Gott, war das schön«, sagte Nombeko.
Celestine stand nebenan in der Achtzig-Quadratmeter-Küche. Sie hörte Holgers Schrei und kam ihm zu Hilfe geeilt.
»Was machst du mit meinem Schatz?«, schrie sie.
»Komm mal her mit deiner Nase, dann zeig ich’s dir«, sagte Nombeko.
Doch so blöd war Celestine nun auch wieder nicht. Stattdessen machte sie da weiter, wo ihr Holger unterbrochen worden war.
»Die schwedischen Traditionen sind ernsthaft bedroht. Wir können nicht einfach auf unseren fetten Ärschen sitzen bleiben und zusehen, wie das passiert. In dem Zusammenhang sind zwei Millionen Kronen rein gar nichts , denn hier stehen unglaubliche Werte auf dem Spiel, kapiert ihr das nicht?«
Sagte Celestine.
Nombeko starrte ihr auf die Nase. Doch Holger 2 kam ihr zuvor. Er hakte seine Freundin unter, bedankte sich für die Gastfreundschaft und ging.
* * * *
Der ehemalige Agent B saß auf einer Bank in Gethsemane, wo er den Seelenfrieden suchte, den ihm dieser biblische Ort immer geschenkt hatte.
Doch diesmal wollte es nicht klappen. Dem Agenten war klar, dass ihm noch eines zu tun blieb. Danach konnte er sein altes Leben hinter sich lassen.
Er ging in seine Wohnung, setzte sich vor den Computer, loggte sich auf einem Server in Gibraltar ein – und schickte eine anonyme, verschlüsselte Mitteilung in die israelische Regierungskanzlei.
Fragen Sie Ministerpräsident Reinfeldt nach dem Antilopenfleisch.
Mehr nicht.
Ministerpräsident Olmert würde sich wundern, woher diese Mitteilung kam, aber er konnte sie unmöglich zurückverfolgen. Im Übrigen würde er es auch gar nicht versuchen. Agent B hatte in den letzten Jahren seiner Karriere nicht mehr besonders hoch im Kurs gestanden. Doch seine Loyalität zur Nation war nie infrage gestellt worden.
* * * *
Während der großen Irak-Konferenz in Stockholm am 29. Mai 2008 nahm die israelische Außenministerin Tzipi Livni den schwedischen Ministerpräsidenten Reinfeldt beiseite und suchte ein paar Sekunden nach den richtigen Worten, bevor sie sagte:
»Der Herr Ministerpräsident weiß ja, wie das in unserer Position so ist. Manchmal weiß man, was man nicht wissen sollte, manchmal verhält es sich umgekehrt.«
Reinfeldt nickte, ahnte er doch, worauf sie hinauswollte.
»Die Frage, an die ich da jetzt denke, klingt vielleicht komisch, aber Ministerpräsident Olmert und ich sind nach reiflicher Überlegung zu dem Entschluss gekommen, sie dennoch zu stellen.«
»Grüßen Sie den Ministerpräsidenten doch bitte schön von mir. Und fragen Sie nur«, sagte Ministerpräsident Reinfeldt. »Ich werde Ihnen antworten, so gut ich kann.«
Außenministerin Livni schwieg noch ein paar Sekunden, ehe sie sagte:
»Ist es wohl möglich, dass der Herr Ministerpräsident etwas über zehn Kilo Antilopenfleisch weiß, für die sich der israelische Staat interessieren könnte? Ich bitte nochmals um Entschuldigung, wenn Sie diese Frage als seltsam empfinden.«
Ministerpräsident Reinfeldt lächelte steif. Und dann sagte er, von diesem Antilopenfleisch wisse er, es habe ihm gar nicht gut geschmeckt – Antilopenfleisch gehöre nicht zu seinen Lieblingsgerichten –, und inzwischen sei dafür gesorgt worden, dass auch in Zukunft keiner mehr davon kosten könne.
»Wenn die Frau Außenministerin weitere Fragen hat, befürchte ich, dass ich ihr die Antwort schuldig bleiben muss«, schloss Ministerpräsident Reinfeldt.
Nein, Außenministerin Livni musste nicht mehr weiterfragen. Sie teilte die Aversion des Ministerpräsidenten gegen Antilopenfleisch nicht (sie war ohnehin Vegetarierin), aber für Israel war es wichtig zu wissen, dass das Fleisch nicht in den Händen von Leuten gelandet war, die keinen Respekt vor den internationalen Regeln zur Ein- und Ausfuhr tierischer Produkte
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