Die Anatomie des Todes
langen Reihen der Namensschilder, bis sie Petras Namen gefunden hatte. Kurz darauf summte der Türöffner. Mit der Schulter drückte sie die Tür auf. Das Treppenhaus lag im Zwielicht, es roch säuerlich nach Kohl. Sie eilte durch die Dunkelheit zum Fahrstuhl, dessen offene Tür auf sie zu warten schien.
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Durch den Türspalt fiel ein bleicher Lichtkeil in den dunklen Gang. Maja klopfte vorsichtig an.
»Komm rein, es ist offen!«
Maja trat sich die Schuhe an einer rosafarbenen Türmatte mit Katzenmotiv ab, ehe sie eintrat.
Die gesamte Wohnung duftete nach exotischem Essen und Lavendel. Aus den Lautsprechern drang Norah Jones. Ãberall brannten Kerzen. Maja schloss die Tür hinter sich und ging den Flur hinunter, bis sie Petra in der Küche entdeckte. Sie trug ein verwaschenes türkisfarbenes Kleid, das mindestens zwei Nummern zu klein war, und nahm gerade eine rauchende Pfanne aus dem Ofen.
»Ich habe eine Gemüselasagne gemacht«, sagte sie munter.
Maja bemerkte, dass ihr Lippenstift auf einen Vorderzahn übergegriffen hatte, sagte jedoch nichts.
Petra stellte die heiÃe Bratpfanne ab.
»Duftet ja köstlich«, sagte Maja ein wenig verlegen. »Ich wollte dich aber nicht lange stören.«
»Aber du störst doch nicht. Ich dachte, wir könnten zusammen essen.«
»Eigentlich wollte ich nur kurz â¦Â«
»Komm, sonst wirdâs kalt.«
Mit diesen Worten führte Petra sie ins Wohnzimmer. Maja sah, dass für zwei Personen gedeckt war. Noch immer wurde sie das beklommene Gefühl nicht los. Auf der anderen Seite konnte sie gut damit leben, wenn sie keine andere Bedingung als ein gemeinsames Essen erfüllen musste, um Lilleengens Obduktionsbericht zu bekommen.
»War es schwierig für dich, den Bericht zu besorgen?«
»Nein, nein«, antwortete Petra rasch.
Etwas zu rasch, fand Maja, der plötzlich Zweifel kamen, dass Petra ihn auch wirklich besorgt hatte. Sie folgte Petras ausuferndem Bericht über einen Venedig-Urlaub, der offenbar einen unauslöschlichen Eindruck hinterlassen hatte, nur mit halbem Ohr.
Nachdem sie gegessen hatten, wurde Maja zu einer Tasse Kaffee und einem Glas Baileys genötigt. Petra schien extrem darauf bedacht zu sein, dass ihr Programm keinerlei Pausen hatte.
»Ich danke dir, Petra, aber ich muss jetzt wirklich zusehen, dass ich mich auf den Weg mache.« Maja gähnte vielsagend. »Ich habe morgen einen anstrengenden Tag vor mir.«
»Es ist doch erst zehn.«
Maja zuckte bedauernd die Schultern.
Petra wickelte schweigend die Papierserviette um ihre feuchten Finger, sodass sie vollkommen zerfaserte.
»Ich weià schon, dass ich dir schrecklich die Ohren abquatsche«, sagte sie schlieÃlich.
»Kein Problem.«
»So bin ich immer, wenn ich andere Leute gerade erst kennengelernt habe. Meistens verschrecke ich sie gleich wieder.«
Maja schüttelte beschwichtigend den Kopf. »Aber nein, ich habe mich sehr wohlgefühlt, aber jetzt muss ich wirklich aufbrechen.«
»Dann willst du sicher das mitnehmen, weshalb du gekommen bist.«
Petra ging zu ihrer Tasche, die auf einem Sessel lag, und holte den Obduktionsbericht hervor. Sie reichte Maja die Klarsichthülle, in der sich der Bericht befand.
»Danke«, sagte Maja. »Das ist sehr nett von dir.«
»Er war wirklich nicht so leicht zu bekommmen.«
Maja steckte die Klarsichthülle in ihre Tasche.
»Das kann ich mir vorstellen. Vielen Dank noch mal.«
Maja lächelte Petra an, doch Petra lächelte nicht zurück. Mit starrer Miene folgte sie ihr zur Haustür.
Als Maja die Hautür öffnen wollte, hielt Petra sie an der Schulter fest. »Entschuldige, Maja, ich wollte nicht eingeschnappt wirken.«
»Nein, nein, wir sind wohl beide ziemlich müde.«
»Sind wir wieder Freundinnen?« Petra streckte ihr beide Arme entgegen. Maja zögerte kurz, ehe sie Petra freundschaftlich umarmte.
Petra drückte sich an sie. Maja spürte, wie sich ihre Brüste und ihr Unterleib an sie drängten. Mit einem leichten Klaps auf die Schulter versuchte sie sich aus der Umarmung zu befreien. Doch statt loszulassen, begann Petra sie gierig und unkontrolliert über das ganze Gesicht zu küssen. Maja war so perplex, dass sie keinen Widerstand leistete, bis sie Petras Zunge in ihrem Mund spürte.
»Stopp!«
Sie starrte Petra aufgebracht an, die ihre Arme fallen und
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