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Die Anatomie des Todes

Die Anatomie des Todes

Titel: Die Anatomie des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Katz Krefeld
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bestimmt nur eine Kopie. Einsam und verlassen stand es dort an der Wand und wirkte immer noch wie ein Fremdkörper. Sie hatte einfach keine Lust, es sich in den Wohnungen, die sie vorübergehend mietete, in irgendeiner Form gemütlich zu machen. Das würde sie nur an das Fiasko erinnern, das sie mit Jan in Lyngby erlebt hatte. Dass sie jetzt noch einen weiteren Monat hier bleiben würde, zwang sie, ihre Strategie zu überdenken. Vielleicht würde sie morgen mit dem Auspacken beginnen.
    Sie trat ans Fenster. Die Losgata sah im Schein der Straßenlaternen wie eine friedliche Vorstadtidylle aus. Fehlten nur noch die Ligusterhecken, und sie hätte sich einbilden können, sie sei in Dänemark. Plötzlich fiel ihr der schwarze Van am Straßenrand auf. Er parkte unmittelbar hinter der
nächsten Straßenlaterne, sodass die Insassen im Schein der Lampe kaum zu erkennen waren.
    Rasch schaltete sie das Licht im Zimmer aus. Nun sah sie deutlich, dass sich zwei Personen im Fahrzeug befanden. Unbeweglich. Abwartend. Als würden sie jemanden beobachten. Sie zog an der Schnur der Jalousie, die klappernd nach unten fiel. Trotz ihres mulmigen Gefühls blieb sie am Fenster stehen und spähte durch die Plastiklamellen nach draußen. Der schwarze Van schien sie magnetisch anzuziehen. In diesem Moment war das charakteristische Brummen seines V8-Motors zu hören. Das Fahrzeug rollte langsam auf die Fahrbahn und wurde zu einem wachsenden Schatten. Als es unter ihrem Fenster vorbeifuhr, konnte sie im kalten Licht der Straßenlampe einen kurzen Blick in die Fahrerkabine werfen, aber die Gesichter waren durch den ungünstigen Winkel nicht zu erkennen. Aber als der Fahrer die Hände am Lenkrad bewegte, erkannte sie seinen Handrücken wieder: Es war dieselbe Hand, die sie angegriffen hatte. Dieselbe Hand, die sich am Fensterrahmen festgehalten hatte, ehe der Täter im Dunkel der Nacht verschwunden war. Es war keine Wunde, die sie gesehen hatte. Nichts, was an Reidars Hand erinnerte. Es war eine Tätowierung gewesen, dessen war sie sich jetzt sicher. Ein Kreis, der von irgendwas durchschnitten wurde.
    Mit der Angst drang auch der Geruch nach Tabak und Leder in ihr Bewusstsein.
    Es dauerte eine Weile, bis sie sich traute, ihren Beobachtungsposten zu verlassen. Falls der schwarze Van noch mal vorbeifuhr, wollte sie Hilfe holen. Sie hatte sich noch nicht entschieden, ob diese Hilfe von Stig oder von der Polizei kommen sollte.
    Aber das Fahrzeug blieb verschwunden. Nach einer Viertelstunde schlich sie in die Küche und holte das größte Messer, das sie dort finden konnte.

    Sie ließ das Licht im Flur brennen und legte sich ins Bett. Zum ersten Mal verfluchte sie sich dafür, ihre Gute-Nacht-Pillen genommen zu haben, wie sie ihre eigene Mischung aus Valium und Stilnox nannte. Sie wollte jetzt auf keinen Fall einschlafen, aber ihr Adrenalin kämpfte einen ungleichen Kampf gegen die beruhigenden Wirkstoffe ihrer Medikamente. Der letzte ängstigende Gedanke, den sie bewusst wahrnahm, galt nicht der Identität des Fahrers, sondern des Beifahrers. Vielleicht kannte sie ihn bereits, ohne es zu wissen.
    Das Messer glitt ihr aus der Hand, ehe sie eine Antwort finden konnte. Als es mit einem dumpfen Geräusch aufschlug, war sie bereits eingeschlafen.

11
    Heißes Wasser schoss aus dem Duschkopf und hüllte den Duschraum des Fitnessstudios in dichten Dampf. Maja war allein und beobachtete, wie der Wasserdampf an den kalten weißen Fliesen kondensierte. Sie wurde das Gefühl nicht los, gestern Abend überreagiert zu haben. Am Morgen war sie kaum noch sicher, was sie eigentlich beobachtet hatte.
    Sie drehte das Wasser ab und nahm sich ihr Handtuch vom Haken. Sie trippelte über den kalten Boden zu ihrem Spind und benutzte ihr Handtuch als improvisierte Badematte. In diesem Moment öffnete sich die Tür zum Umkleideraum. Sie fürchtete schon, es sei eine Gruppe dieser berüchtigten Fahrradenthusiasten, die es aus unerfindlichen Gründen nicht für nötig hielten, ihre Trainingskleidung zwischendurch mal zu waschen. Stattdessen betrat eine untersetzte Frau in abenteuerlich gemusterter Gymnastikkluft die Umkleidekabine und schloss behutsam die Tür hinter sich. Mit hochrotem Kopf nickte sie Maja zu. Maja lächelte höflich zurück und schlüpfte in ihren Slip.
    Â»Sie sind die dänische Ärztin, oder?«
    Â»Das bin ich.«
    Die Frau vermied es, ihr in

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