Die Anatomie des Todes
der Türöffnung.
»Ich habe seit Tagen versucht, dich zu erreichen.«
»Tut mir leid, ich war die ganze Zeit mit meiner Migräne beschäftigt.«
Die Migräne war keine Erfindung, aber sie hatte Stig noch aus einem anderen Grund nicht zurückgerufen. Etwas, das sie verletzbar machte und durch Rohypnol nicht zu bekämpfen war.
»Was fehlt dir denn?«, fragte sie.
Ihre direkte Frage schien Stig zu überraschen, der erst jetzt zu dem freien Stuhl humpelte und sich hinsetzte.
»Ich glaube, ich habe einen Muskelfaserriss.«
»Bei einem Muskelfaserriss würdest du vor Schmerzen nicht stehen können. Wahrscheinlich nur eine Zerrung.«
Stig zuckte die Schultern. »Du bist die Ãrztin.«
Sie sagte, er solle sich die Hose ausziehen, damit sie sich sein rechtes Bein ansehen könne. Stig erklärte, dass er beim Laufen plötzlich einen stechenden Schmerz gefühlt habe.
Doch obwohl sie sein Bein gründlich abtastete und in verschiedenen Winkeln bewegte, konnte sie keine Verletzung feststellen. Es handelte sich offenbar um ein rätselhaftes Leiden.
»Warum bist du hier, Stig?«
Die Frage zwang ihn zu einem verlegenen Lächeln. »Damit du mich untersuchst. Vielleicht ist ja doch ⦠irgendwas gebrochen.«
Sie schaute ihn schweigend an.
Stig atmete tief ein und hob unsicher die Arme.
»Okay, das mit dem Laufen â¦Â«
»Warum bist du dann hier?«
»Um zu fragen, ob es was Neues gibt ⦠mit Jo.«
»Du weiÃt genau, dass es nichts Neues gibt. Ich werde das Gefühl nicht los, dass du die ganze Zeit von einem Selbstmord ausgegangen bist und das Thema für dich längst abgeschlossen ist.«
»Manchmal schadet es nicht, etwas im Nachhinein zu überprüfen.«
Maja zuckte die Schultern. »Ich habe übrigens den Obduktionsbericht gelesen.«
»Wirklich? Was stand drin?«
Sie zögerte, weil sie nicht wusste, ob sie ihm davon erzählen sollte. SchlieÃlich gab sie sich einen Ruck.
»Es sieht alles nach einem Selbstmord aus. Die Menge von Methadon und Alkohol war viel zu hoch, als dass es ein Versehen gewesen sein könnte. AuÃerdem gibt es nicht das geringste Zeichen für äuÃere Gewalteinwirkung. Das Motiv für seinen Selbstmord hat Jo vermutlich mit ins Grab genommen.«
Ihre Intuition musste sich den fachlichen Argumenten geschlagen geben.
Stig lächelte sie tröstlich an. »Ich habe immerhin herausgefunden, wer Ãivind Munkejord angeheuert hat.«
»Wer?«
»Crown Oil Contractors. Eine lokale Firma.«
»Was haben sie gesagt?«
»Dass sie ihm Bescheid geben werden.«
»Glaubst du, dass er zurückrufen wird?«
Stig zuckte die Schultern. »Was würdest du dazu sagen, wenn du bei der groÃen Herbstverlosung von LokalNyt einen Fernseher mit Flachbildschirm gewinnen würdest?«
Maja lächelte kurz. Eigentlich sollte sie etwas Nettes sagen, doch stattdessen fragte sie Stig, warum er wirklich an Munkejord herankommen wollte.
»Wegen dir.«
Erneut blitzte es fröhlich in seinen Augen, und Maja dachte, dass sich die meisten Frauen in ihrer Situation sehr geschmeichelt fühlen würden. »Das will ich nicht.«
Stig wirkte gekränkt. »Wovor hast du Angst?«
»Ich habe vor nichts Angst, aber für so eine Geschichte ist einfach kein Platz in meinem Leben.«
»Was für eine Geschichte?«
»Jetzt tu doch nicht so!«
Stig beugte sich vor und sah sie ernst an. »Ich finde, wir passen einfach gut zusammen.«
Sie nickte zustimmend.
Stig fuhr fort: »Und ich würde mir wünschen, wir könnten einmal in Ruhe miteinander essen gehen, ehe du weiterziehst.«
Er hatte seine Einladung mit chirurgischer Präzision adressiert, und zum ersten Mal während ihres Gesprächs musste Maja lächeln. »Klingt wie die Einladung zu einem Rendezvous.«
»Nenn es, wie du willst. Ich werde jedenfalls ein sauberes Hemd anziehen.«
Sie lehnte sich abwartend zurück.
»Wo und wann?«
»Heute Abend, im La Maison. Die machen eine exzellente Bouillabaisse.«
Maja schüttelte den Kopf. »Heute habe ich Nachtwache, aber vielleicht morgen um acht?«
Sie verabredeten, dass Stig einen Tisch bestellen und sie morgen noch mal telefonieren würden. Maja füllte ein Rechnungsformular aus, schob es ihm entgegen und reichte ihm einen Kugelschreiber.
»Wenn du bitte hier
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