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Die andere Seite des Glücks

Die andere Seite des Glücks

Titel: Die andere Seite des Glücks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Seré Prince Halverson
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Elbow konnte nicht länger ihren eigenen Laden am Leben halten, und Capozzi’s war nicht schick genug, um die Feinschmecker und Kenner anzulocken. Aber der Weinanbau um uns herum breitete sich immer weiter aus, und immer mehr Touristen kamen. Joe hatte sich aufgeregt, dass plötzlich alle Landbesitzer in Sebastopol ihre Apfelbäume fällten und Weinstöcke anpflanzten, aber ich kam aus dem Süden und meinte: »Mir gefallen Weinberge jedenfalls besser als Einkaufszentren.« Doch er konnte die Veränderung nicht gutheißen und nannte Wine Country immer nur
Country zum Weinen
.
    Ich setzte den Kompost um, der dunkel wie Kaffee war. Wusste ich, wie man einen Laden führte? Sicherlich nicht. Und ich konnte im Herbst unmöglich die Teilzeitstelle als Naturführerin antreten. Ich brauche eine Vollzeitstelle – aber stellten sie überhaupt Vollzeitkräfte ein? Und für die Zeit, wenn Annie und Zach nachmittags nach Hause kamen, brauchte ich einen Babysitter. Aber was würde aus Capozzi’s Market werden? Ein leerstehender, mit Spinnweben verhangener Schandfleck, wo das alte Namensschild lose an einer Ecke baumelte, die Fliegengittertür schief in den Angeln hing und im Wind auf und zu schlug. Ein Ort, an dem sich Kinder gegenseitig anstachelten, zur Türschwelle zu laufen und sie zu berühren, voller Angst wegen der gruseligen Gespenstergeschichten? Wenn wir den Laden irgendwie retten konnten … mit Hilfe der Familie … vielleicht konnte Gina weiterarbeiten, David und Marcella stundenweise einspringen … dann wäre auch ich flexibler. An manchen Nachmittagen konnten Annie und Zach im Büro ihre Hausaufgaben machen, und wenn sie ein bisschen älter waren, im Laden mithelfen, so wie Joe und David früher. Ich warf noch mehr Blätter in den Kompost. Aber halt: Der Laden lief nicht, er war ebenso fertig wie die Eichenblätter, die ich gerade im Kompost vermengte.
    Joes Essensreste lagen auch darin, verrotteten und verwandelten sich. Der letzte Bagel, die letzte Bananenschale. Die Überreste unseres letzten gemeinsamen Picknicks. Ich stieß die Schaufel hinein, drehte sie um. Ach, wie er diese Picknicks geliebt hatte.
    Er hatte immer gesagt, er wolle die Picknickkultur wiederbeleben, dass diese Gegend auf dem Vergnügen an Picknicks gründete.
    Das stimmte zwar so nicht, aber die Vorstellung gefiel mir, und etwas Wahres war schon daran: Weiße waren am Anfang nicht in diese Gegend gekommen, um ihre Decken unter den Redwoods auszubreiten, sondern um die Bäume zu fällen. Doch vor etwa einhundert Jahren begannen Bewohner von San Francisco, Sommerhütten und -häuser entlang des Flusses zu bauen, und Ausflügler kamen, um hier zu schwimmen und zu picknicken.
    Im Elbow Inn hing ein altes Foto, auf dem Frauen mit hochgeschlossenen, langen Kleidern und Männer mit Hüten und Hosen mit Hosenträgern auf einer riesigen Decke entspannten – oder es zumindest versuchten, so weit es die Aufmachung zuließ. Vor ihnen war eine reichhaltige Mahlzeit ausgebreitet.
    Der Laden hatte früher einmal mit »Alles aus Italien« geworben … bevor in der Kriegszeit die Paranoia einsetzte. Doch jetzt, Jahrzehnte später, liebten alle alles aus Italien – die Kunst, das Essen, den Wein, den Lifestyle. Dinieren
al fresco
– Essen unter freiem Himmel, frische Zutaten, wenn möglich aus dem eigenen Garten. Slow Food statt Fast Food. Meine Philosophie – in Ruhe und mit Bedacht essen, vorzugsweise Produkte aus der Region – hatte ihren Ursprung in Italien, war über den Ozean gehüpft, hatte einen Kontinent durchquert und war in Sonoma County gelandet. Irgendwann würde man auch im Rest des Landes so denken, aber hier in Elbow und in den umliegenden Gemeinden wie Sebastopol – gern auch als Berkeley North bezeichnet –, aßen die Menschen bereits Öko-Lebensmittel und unterstützten die Farmer in der Region.
    Und dann sah ich ihn plötzlich vor mir: den Laden, anders und doch gleich, mit allem Drum und Dran. Sogar das stetige Läuten der Glocke an der knarrenden Tür konnte ich hören, den beständigen Kundenstrom ein- und ausgehen sehen, mit vollen Einkaufskörben und die Arme beladen. Das Läuten wollte gar nicht mehr aufhören, gleich seligen Kirchenglocken, die die Wiederauferstehung und das neue Leben verkündeten.
    »Heiliger Bimbam!«, entfuhr es mir. Das könnte die Antwort sein. Ich warf den Deckel auf die Kompostmiete, zog die Handschuhe aus und rannte ins Haus. Es war eine verrückte Idee, aber es könnte funktionieren. Ich musste

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