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Die andere Seite des Glücks

Die andere Seite des Glücks

Titel: Die andere Seite des Glücks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Seré Prince Halverson
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können wir ja Mama in Lost Vegas besuchen.«
    Hinter uns hupte jemand, und ich schaffte es gerade noch über die Ampel, die schon wieder gelb geworden war. Brauchte ich Ruhe?
Was für eine seltsame Bemerkung für ein kleines Mädchen
, dachte ich. Aber die beiden fingen gerade an,
I’ve got Sixpence
zu singen und schienen beinahe glücklich. Ich wollte die Stimmung nicht verderben und ließ es gut sein, sagte nur: »Glaub mir, Annie, ich brauche keine Ruhe. Für mich gibt es nichts Schöneres auf der ganzen Welt, als dich und Zach um mich zu haben.« Doch ihre Worte nagten an mir. Entweder hatte Paige Annie eingeladen, oder Annie war ganz allein auf die Idee gekommen. Ich fragte mich, was Paige wollte, doch Annies Wünsche interessierten mich noch viel mehr. Es war verständlich, dass sie vielleicht Zeit mit Paige verbringen wollte. Aber was war, wenn Paige wieder eine Beziehung zu den Kindern aufbaute und dann wie schon einmal plötzlich verschwand?
    Wir fuhren in die Einfahrt, vorbei an Joes Pick-up, der auf seinem gewohnten Platz stand; das leere Haus wartete, hungrig und begierig, uns zu verschlingen.
    Callie kam schwanzwedelnd angetrottet, doch mir war, als wäre ich auf einem Filmset und alles nur Illusion. Sobald ich näher herangehen und an die Wand klopfen würde, musste ich der Wahrheit ins Gesicht sehen. Womöglich war das hübsche, gemütliche Haus nur eine Pappfassade und der bunte Garten aus Plastik und verstaubter Seide. Alle wussten, dass das Studio die Finanzmittel gestrichen und der Regisseur die Filmarbeiten abgebrochen hatte, und wir drei standen jetzt ohne Drehbuch draußen vor der Papptür. Ich schloss trotzdem auf, und wir gingen hinein.
    Die Fliegengittertür schlug hinter uns zu. »Nun ja«, sagte ich. Annie und Zach standen in der Nicht-so-Guten-Stube und sahen mich erwartungsvoll an. »Habt ihr Hunger?«, fragte ich. Beide schüttelten den Kopf. Es war noch früh am Morgen, erst neun Uhr dreißig, und meine Mutter hatte uns vor der Abfahrt Frühstück gemacht. Im Haus roch es noch nach Toast und Kaffee. »Wollt ihr draußen spielen?« Wieder schüttelten sie den Kopf. Die Sonne vor den Fenstern ließ alles funkeln und unecht wirken. Die Vögel sangen Loblieder. Das setzte dem Ganzen die Krone auf.
    »Nun ja«, sagte ich wieder, ging zur Kommode, zog die Schublade auf und holte drei Filme heraus:
Meine Lieder – meine Träume, Toy Story, Die Schöne und das Biest
. Ich ging in mein Zimmer, ließ die Jalousien herunter und schob
Meine Lieder – meine Träume
in den DVD -Player, zog die Jeans aus und Jogginghosen an. Die Kinder standen herum wie auf Besuch. Filme sah man nur abends an, lautete die ihnen bekannte Regel. Doch ich machte in der Küche Popcorn, stieg mit der Schüssel ins Bett und klopfte kurz darauf rechts und links neben mir aufs Bett. »Kommt her.« Ich sang: »
Let’s start at the very beginning …
«, und sie kletterten kichernd zu mir aufs Bett, hielten sich die Ohren zu. Diese inzwischen übliche Reaktion auf meinen Gesang hatte ich Joe zu verdanken – meine Singstimme war wohl nicht allzu schön.
    Zach hielt seinen Bubby in der einen und seine Schüssel mit Popcorn in der anderen Hand. Callie sprang aufs Bett, stecke ihre Nase in Annies Schüssel und legte sich dann kauend ans Fußende. Wir standen nicht auf, als das Telefon klingelte. Wir standen nicht auf, als es an der Tür läutete. »Pssst«, sagte ich, als es klopfte, und sie dämpften ihr Gekicher mit den Kissen. Selbst Callie unterdrückte bereitwillig ein Bellen. Aber sie wimmerte, klopfte mit dem Schwanz auf die Matratze und legte den Kopf schief, als wolle sie sagen:
Und wenn
er
es ist
…?
    Während Joe uns vom Foto auf dem Nachttisch anblickte, sahen wir Filme, schliefen, und sahen mehr Filme. Zum Abendessen bestellte ich Pizza bei Pascal’s und schob
Die kleine Meerjungfrau
in den Player. Als mir einfiel, dass Prinz Eric von Ariel vor dem Ertrinken gerettet wird, wollte ich aufstehen und einen anderen Film einlegen. Doch ich tat es nicht. Möglicherweise setzten ihnen die Szenen zu sehr zu, aber besser, es passierte in meiner Gegenwart, als woanders, zum Beispiel im Haus von Freunden. Oder bei Paige.
    Der Sturm kam auf. Prinz Eric sank auf den Meeresboden. Ich hielt beide Kinder fest im Arm und fragte mich wieder, wie es wohl für Joe gewesen war. So wie Frank vermutete, dass er mit dem Kopf an den Felsen geschlagen war, als die Welle ihn holte, und nicht einmal mitbekam, dass er uns nie wiedersehen

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