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Die andere Seite des Glücks

Die andere Seite des Glücks

Titel: Die andere Seite des Glücks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Seré Prince Halverson
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großartig.«
    Sie schlang die Arme um meine Taille. »Ich wusste, dass du ja sagst! Ich ruf Mama sofort an. Tausend Danke!«
    Doch die Zurückweisung hatte mich ganz unerwartet getroffen, und sobald Annie aus dem Zimmer gehüpft war, sank ich im Schrank auf den Boden. Joes alte Hemden und Jacketts an der unteren Stange schienen mich nun wie in einer Umarmung in ihre Mitte zu nehmen. Ich brauchte den richtigen Joe, die richtige Umarmung. Trotzdem blieb ich sitzen und ließ es zu, dass sein San Francisco- 49 er-Jackett und sein lavendelfarbenes Hemd, das das Blau seiner Augen unterstrich, mir das Gefühl gaben, mich zu verstehen.
    Annie war dankbar gewesen, und deshalb war ich froh, ja gesagt zu haben. Könnte ich das Privileg, Annie glücklich zu machen, nicht mit Paige teilen? Ich könnte es versuchen.
    Ich fing an, Zachs und mein Kostüm zu planen. Meins hatte ich schon detailliert im Kopf, aber Zach schwankte noch zwischen verschiedenen Insekten. Eine Gottesanbeterin? Ein Mondspinner? Ein Tausendfüßler? Er hatte sich noch nicht entschieden.

    Später Oktober. Der Wind spielte eine Symphonie aus roten, orangenen und goldenen Blättern, die er vor einer gewaltigen Kulisse aus immergrünen Wäldern umherwirbelte, unter einem noch immer tiefblauen, klaren Himmel. Viele der Weinberge waren in ein helles Gelb getaucht, leuchteten wie Seen aus Sonnenlicht inmitten dunkler, bewaldeter Hügel. Immer wieder läutete die Glocke der Ladentür, klingelte das Telefon, schepperte die alte Registrierkasse.
Halleluja
! Doch nie vergaß ich, auf Annie und Zach und mich zu achten. Ich lauschte dem stetigen Schlag unserer Herzen, wenn ich sie im Arm hielt oder in ihrem Zimmer saß und sie im Schlaf betrachtete, hörte das Ticken der Uhr, zählte die Tage, Stunden, Minuten.
    Ich stand im Laden auf der Leiter und befestigte Spinnennetze aus weißer Baumwolle an den Dachsparren. Letzte Weihnachten hatte Joe auf derselben Leiter gestanden, an derselben Stelle, und ich hatte ihm weiße Lichterketten gereicht. Als er herunterkam, hatte ich gesagt, wir bräuchten Mistelzweige, woraufhin er mich an sich zog und flüsterte: »Wir brauchen keine stinkenden Mistelzweige.« Er hatte mich geküsst, und als die Türglocke läutete, Mrs Tagnoli eintrat und »Oh, là, là« sagte, küsste er mich einfach weiter. In nicht ganz einem Jahr hatte sich meine Welt aus Glitter, funkelnden Lichtern und Küssen in eine mit Spinnennetzen, Geistern und Reue verwandelt.
    »Buon giorno! Bellissima!«
, rief Lucy, die gerade von einer Weingutbesichtigung in Italien zurückgekommen war, zu mir hoch.
    »Ich würde gern runterkommen und dich umarmen, aber ich bin gerade etwas in Zeitnot«, sagte ich.
    »Oh welch verworren Netz du webst«, rezitierte sie Sir Walter Scotts
Marmion
und stellte den Korb ab. »Ich hab Wein mitgebracht. Italien! Italien ist phantastisch. Ich muss in Italien leben.«
    »Das tust du doch mehr oder weniger. Sonoma County ist Italien. Nur ohne den Akzent.«
    »Und ohne die jahrhundertealten Häuser und die sagenhafte Kunst und das Kopfsteinpflaster und das melodische
Italiano
und die vielen lüsternen Männer.«
    »Aber sie sind nicht George Clooney …«
    »Stimmt, aber dieser eine Typ, Stefano, könnte mich George glatt vergessen lassen« – sie lächelte – »und ich bin
Stefano
nur zufällig begegnet, immer und immer wieder …«
    »Stefano? Sex? Ich glaube, ich erinnere mich an Sex. Erzähl schon.«
    »Er ist jung und schön und
o-mein-Gott

    Marcella kam aus der Küche, und Lucy sagte lautlos: »später«.
    Marcella stemmte die Hände in die Hüften, reckte den Hals und sagte: »Ach, du meine Güte. Ich hätte wohl einfach die echten Spinnweben hängen lassen sollen.«
    »Sie ist Charlotte aus
Wilbur und Charlotte
«, sagte Lucy. »Wenn wir ihr genug Zeit lassen, webt sie Worte ins Netz.«
    »Ich wünschte, es wäre so einfach. Dann würde ich schreiben: ›Ella, was für eine tolle Mom!‹ So wie Charlotte ›Was für ein tolles Schwein!‹ geschrieben hat. Und die Presse würde kommen und berichten, ein Wunder sei geschehen, und wir wären gerettet, genau wie Wilbur.«
    »Ella«, sagte Lucy. »Wir brauchen kein Wunder, um zu sehen, was für eine tolle Mom du bist. Und jetzt komm da runter und hilf mir beim Ausladen.«
    Lucy belud meine Arme mit Weinflaschen, Tischdecken und mundgeblasenen venezianischen Glasvasen; meine Ohren füllte sie mit Geschichten von langen, heißen Nachmittagen mit Stefano.
    Draußen auf der Straße

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