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Die andere Seite des Glücks

Die andere Seite des Glücks

Titel: Die andere Seite des Glücks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Seré Prince Halverson
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rotweißkarierte Tischdecke gehüllt – und eine Flasche Wein, ein großes Stück Käse, einen Laib Brot und ein Gummihuhn draufgelegt. Und auf dem Kopf balancierte ich einen Korb mit Wildfrüchten. Ja, ich war ein Picknickkorb.
    »Und sagt bitte nicht, ich wär zum Anbeißen.«
    »Aber wenn’s doch stimmt«, sagte David.
    Er hatte sich bereit erklärt, im Laden zu bleiben, während ich mit den Kindern zur Parade ging und wir uns hinterher mit Frank und Molly trafen, um von Haus zu Haus zu ziehen und Süßigkeiten einzufordern. Ich musste aus dem Korb aussteigen, damit ich ins Boot passte, ließ also den Glanzpunkt meines Kostüms im Laden und lief mit Annie und Zach hinunter zum Fluss. Ich zog ihnen die Schwimmwesten fest, und wir kletterten ins Kanu. Zach zeigte auf die Plastiksärge. »Die sind nicht echt«, rief er sich – und gleichzeitig auch uns anderen – in Erinnerung.
    »Richtig, Zach, die sind nicht echt.«
    Der Mond stand tief, groß und orange am Himmel, wie oft in der Erntezeit. »Ein Kürbismond«, flüsterte er. Zach saß so dicht an mich gedrückt, dass sein roter Fühler in meine Wange piekte. Auf meinem Kopf thronten schwer die Plastikfrüchte. Annie saß vor uns, tauchte das Ruder ins Wasser und lenkte das Kanu. Wir waren mit dem Sarg vor uns und mit dem hinter uns durch Seile verbunden und wurden von den Booten vor uns gezogen, doch Annie saß am Steuerruder und nahm ihre Aufgabe sehr ernst. Ich beobachtete sie beide: sie waren ruhig und anscheinend nicht verängstigt. Zach betrachtete die Spiegelung des Mondes und der Tiki-Flammen auf dem Wasser, das unser Boot umspülte. Schließlich drehte Annie sich um. »Ich bin müde«, flüsterte sie. Ich rückte noch näher an Zach heran und klopfte auf den Sitz neben mir.
    »Mach langsam.«
    Sie kletterte vorsichtig neben mich auf die Bank, und ich hielt sie beide in den Armen. Schweigend saßen wir da, drei verlorene Seelen.
    Nicht mehr vier.
    Der Moment stand friedvoll, mystisch und schwer in der Nacht wie der Mond. Wir erreichten das Ziel kurz vor dem letzten Floß und Sarg, und dann brach umgehend Tumult aus: Musik setzte ein, die Kinder wurden wild. Halloween hatte offiziell begonnen.

    Ich hatte mir gerade den Rest meines Kostüms aus dem Laden geholt, als Molly in einem Prinzessin-Belle-Kostüm von Disney angelaufen kam. Lizzie – nicht Frank – folgte ihr. »Frank hat einen Anruf bekommen und muss arbeiten«, erklärte sie grußlos. »Wow, wie du aussiehst …«, sie sah mich von unten bis oben an. »Niedlich.«
    »Ich kann allein mit den Kindern gehen, wenn du willst.«
    »Nein, nicht nötig. Ich hab eine Schüssel mit Süßigkeiten auf die Veranda gestellt. Wenn sie leer ist, ist sie leer.« Lizzie war nur etwa ein Meter fünfundfünfzig groß, aber anmutig wie eine Gazelle. Sie war in Elbow aufgewachsen, am Ende der Schulzeit Abschlussrednerin und Jahrgangssprecherin gewesen und später Schönheitskönigin bei den jährlichen Ehemaligentreffs. Sie hatte in Stanford studiert und eine Weile einen hochdotierten Führungsjob in einem Unternehmen innegehabt, war dann aber desillusioniert von der Geschäftswelt zurückgekehrt und hatte Frank, ihre Highschool-Liebe, geheiratet. Jetzt hatte sie ein Kind, Molly, und ihr eigenes Geschäft, in dem sie die wohlriechendsten Seifen auf diesem Planeten produzierte.
Lizzie’s Lathers
-Produktlinie war so gut, dass die Leute bereitwillig sieben Dollar für ein Stück Seife bezahlten; und die
Press Democrat
hatte sogar einen ganzseitigen Bericht gebracht mit der Überschrift: MIT NATURSEIFE ZUM ERFOLG .
    Alle kannten und liebten Lizzie und blieben jetzt unterwegs stehen, um mit ihr zu plaudern – wobei sie eine lebhafte und herzliche Seite offenbarte, die sie mir gegenüber nie zeigte. Ich war jedes Mal froh, wenn ich den- oder diejenige auch kannte und sie mich in die Unterhaltung mit einbezogen. Meistens machten sie mir Komplimente für mein Kostüm, wünschten mir Glück oder drückten mir die Daumen – für den lächerlichen Sorgerechtsstreit, wie sie dann oft mit gesenkter Stimme hinzufügten.
    Als uns eine Weile niemand begegnete und die Kinder gerade die nächste Haustür ansteuerten, sagte Lizzie: »Ella, ich weiß von dem Sorgerechtsstreit, aber nur, dass es einen gibt. Mehr nicht.« Lizzie hatte den Blick weiter auf die Kinder geheftet. »Zwischen Frank und mir gibt es eine Vereinbarung in Bezug auf deine Familie – jede Diskussion darüber ist tabu.« Sie schüttelte den Kopf. »Tut mir

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