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Die andere Seite des Himmels: Roman (German Edition)

Die andere Seite des Himmels: Roman (German Edition)

Titel: Die andere Seite des Himmels: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeannette Walls
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Ordnung mit dir?«
    »Nein.«
    »Sollten wir nicht besser ins Krankenhaus fahren?«
    »Wenn ich eines nicht will, dann das.«
    »Du könntest aber verletzt sein.«
    »Ich will nicht, dass mich irgendwer untersucht.«
    »Hast du Angst, schwanger zu werden?«
    »Nein. Er hat nicht … Ich hab doch gesagt, ich will nicht drüber reden.«
    Als Liz in die Wanne stieg, behielt sie ihre Unterwäsche an. Sie erklärte nicht, wieso, aber ich verstand es.
    »Du warst schlau, Liz«, sagte ich. »Du hast Maddox genauso ausgetrickst, wie wir den Perversen in New Orleans ausgetrickst haben.«
    »Ich bin nicht schlau«, sagte sie. »Sonst wäre ich nämlich gar nicht erst in das Auto gestiegen.«
    »So darfst du nicht denken. Du hast ihn ausgetrickst.«
    Nach dem Bad legte sich Liz ins Bett und zog sich die Decke über den Kopf. Sie wolle allein sein, sagte sie. Ich ging wieder nach unten. Onkel Tinsley war im Wohnzimmer und schürte das Feuer, das er im Kamin gemacht hatte. Ich versuchte, Mom anzurufen, um sie zu fragen, ob wir Anzeige erstatten sollten, aber sie meldete sich nicht.
    »Wir sollten zur Polizei gehen«, sagte ich.
    »Das ist keine gute Idee«, sagte Onkel Tinsley.
    »Oder wenigstens mit einem Anwalt sprechen.«
    »Solche Sachen bleiben besser in der Familie.«
    »Es ist schlimmer, als dieser Wayne gesagt hat. Liz hat mir erzählt, dass Maddox versucht hat, sie zu vergewaltigen.«
    »Mein Gott«, sagte Onkel Tinsley. »Das arme Mädchen!« Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar. »Trotzdem, du kannst nichts tun, um den Schaden ungeschehen zu machen. Und wenn du was tust, macht das alles nur noch schlimmer.«
    »Aber Maddox darf nicht so einfach davonkommen.«
    »Ihr kennt Maddox nicht«, sagte er. Gut, wir hätten für Maddox gearbeitet, erklärte er, aber wir könnten uns nicht vorstellen, was für ein Mensch er in Wirklichkeit war. Maddox liebte nichts mehr als Streit. »Viele Leute denken, ein Streit ist zu Ende, wenn sie ihren Gegner besiegt haben, aber Menschen wie Maddox denken, sie müssen dann noch mal richtig fest nachtreten.«
    Maddox führte viele seiner Streitigkeiten vor Gericht, fuhr Onkel Tinsley fort. Die Prozessliste mit allen Fällen, in die er verwickelt war, wäre ellenlang. Er verklagte Nachbarn wegen unklarer Grundstücksgrenzen. Er verklagte Ärzte wegen vermeintlicher Behandlungsfehler. Er verklagte chemische Reinigungen, weil sie ihm angeblich seine Sachen geschrumpft zurückgegeben hatten. Er verklagte Autowerkstätten, weil sie angeblich seinen Wagen nicht sachgemäß repariert hatten. Er verklagte die Stadt, wenn auf seiner Straße ein Schlagloch war. Für die meisten Menschen war ein Gerichtssaal ein Ort, wo es um Gerechtigkeit ging, für Maddox war er ein Ort, wo er jeden fertigmachen konnte, der ihm im Weg stand oder sich irgendwie mit ihm angelegt hatte.
    Gelernt hätte Maddox das vor einigen Jahren, sagte Onkel Tinsley, als er in einer Pension in Rhode Island wohnte und den Schmuck der Inhaberin klaute. Bei einer Durchsuchung seines Zimmers fand die Polizei den Schmuck, und Maddox wurde verurteilt. Dann meldete sich ein Anwalt, der behauptete, die Polizei hätte Maddox’ Zimmer ohne dessen Erlaubnis gar nicht durchsuchen dürfen. Der Fall kam schließlich sogar bis vor das Oberste Gericht von Rhode Island. Maddox gewann den Prozess, obwohl alle wussten, dass er so schuldig war wie die Sünde. Von da an befasste sich Maddox emsig mit juristischen Fragen, weil er erkannt hatte, dass Schuld und Unschuld nebensächlich waren, dass Menschen, die die Abläufe der Rechtsprechung durchschauten, auch Wege finden konnten, das Recht zu beugen.
    »Er prahlt damit, dass er den Fall damals gewonnen hat«, sagte Onkel Tinsley. »Er kämpft mit allen Tricks und Schlichen. Deshalb sollte man sich nicht mit ihm anlegen.«
    »Aber was machen wir dann? So tun, als wäre nichts passiert?«
    Onkel Tinsley verpasste den brennenden Holzscheiten einen festen Stoß mit dem Schürhaken, und Funken sprühten hinauf in den Schornstein.
     
    Ich ging wieder nach oben in den Vogeltrakt. Onkel Tinsley wollte also so tun, als wäre nichts passiert, und ich fragte mich, ob das, was Mom über ihre Familie gesagt hatte, nicht vielleicht doch stimmte – sie waren alle Heuchler.
    Liz hatte noch immer die Decke über den Kopf gezogen. Ich nahm das Foto von meinem Dad und den Silver Star aus der Zigarrenkiste, die ich in der weißen Wiege verwahrte, und ging damit ins Badezimmer, um sie bei Licht genauer zu

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