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Die andere Seite des Himmels: Roman (German Edition)

Die andere Seite des Himmels: Roman (German Edition)

Titel: Die andere Seite des Himmels: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeannette Walls
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war, über Verantwortung von Geschworenen und über Bürgerpflichten. Dann forderte er die Zeugen auf vorzutreten. Als wir alle vorne standen, fragte er die potenziellen Geschworenen, ob irgendwer von ihnen irgendeinen von uns oder einen der Anwälte kannte.
    Ein Mann in einem karierten Sakko stand auf. »Ich kenne so ziemlich jeden hier«, sagte er. »Schätze mal, das tun wir alle.«
    »Ich schätze mal, das stimmt«, sagte der Richter. »Würde das jemanden von Ihnen daran hindern, zu einem unvoreingenommenen Urteil zu kommen?«
    Sie sahen einander an, und dann schüttelten alle den Kopf.
    »Also niemanden? Gibt es irgendwelche anderen Gründe, warum einer oder eine von Ihnen nicht unvoreingenommen sein kann oder nicht auf die Geschworenenbank berufen werden sollte?«
    Wieder reagierten alle mit Kopfschütteln.
    »Fürs Protokoll: Alle der möglichen Geschworenen glauben, dass sie unvoreingenommen sind.«
    Die beiden Anwälte standen auf und begannen die Namen vorzulesen. Diejenigen, die aufgerufen wurden, setzten sich auf die Geschworenenbank. Tammy Elbert war eine von ihnen. Innerhalb von zehn Minuten waren alle Geschworenen benannt, und die anderen verließen den Saal. Dann forderte der Richter die Zeugen auf zu gehen, woraufhin wir alle dem Deputy durch die Türen nach draußen folgten und Mom in ihrer roten Samtjacke neben Joe und Tante Al zurückblieb.
    Wayne zündete sich eine Zigarette an und ging den Gang runter Richtung Aschenbecher, während der Deputy uns Übrige in einen kleinen Raum führte. Eine Kaffeemaschine mit verbrannt riechendem Kaffee stand neben einem großen Teller mit glasierten Donuts, aber sie verlockten keinen von uns. Nach kaum einer halben Stunde kam der Deputy zurück und bedeutete Onkel Tinsley, ihm zu folgen. Etwa zwanzig Minuten später kam er erneut, und diesmal winkte er mich heraus. Als ich die Tür hinter mir zuzog, drehte ich mich zu Liz um und streckte den Daumen in die Höhe.

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    I ch wurde vereidigt und nahm auf dem Zeugenstuhl Platz. Maddox saß zurückgelehnt da, die Arme herausfordernd verschränkt, als wollte er sagen: Dann zeig mal, was du kannst. Im Zuschauerraum hinter ihm hatte Onkel Tinsley sich neben Mom gesetzt und nickte mir aufmunternd zu. Die Geschworenen auf der Bank musterten mich, als wäre ich eine Kuriosität.
    Als ich da im Zeugenstand saß und mich die vielen Leute ganz gespannt anstarrten, kriegte ich einen trockenen Mund, und der Hals schnürte sich mir zu. Dickey Bryson stand auf und bat mich, meinen Namen zu nennen, aber ich brachte bloß ein kleines Quieken heraus. Huch!, dachte ich und schielte zu den Geschworenen rüber. Der Mann mit dem karierten Sakko grinste, als fände er das lustig.
    »Lass dir Zeit«, sagte Dickey Bryson.
    Dann beantwortete ich seine Fragen. Zuerst erklärte ich, wie Liz und ich angefangen hatten, für Mr Maddox zu arbeiten, dass Liz eher so was wie Mr Maddox’ persönliche Assistentin gewesen war und dass er für sie ein Sparbuch eingerichtet hatte. Dickey Bryson fragte, was an dem Abend passiert war, als Wayne Liz zurückgebracht hatte, und ich erzählte den Geschworenen alles, woran ich mich erinnern konnte. Je länger ich redete, desto sicherer fühlte ich mich, und als Dickey Bryson schließlich sagte: »Keine weiteren Fragen«, war ich überzeugt, meine Sache einigermaßen gut gemacht zu haben.
    Leland Hayes stand auf und knöpfte sein Jackett zu. Er hatte kurzes, graumeliertes Haar und eine lange, sonnenverbrannte Nase. Wenn er lächelte, erschienen Krähenfüße in den Winkeln seiner schiefergrauen Augen, die auf eine Art blitzten, als hätte er Spaß bei dem, was er tat.
    »Guten Morgen, junge Dame«, begann er. »Wie geht es dir heute?«
    »Gut, danke.«
    »Schön. Freut mich zu hören.« Er trat mit seinem Block in der Hand vor den Zeugenstand. »Ich weiß, es ist nicht leicht, hierherzukommen und auszusagen, und ich habe Hochachtung vor dir.«
    »Danke«, sagte ich wieder.
    »Ihr habt also für Jerry Maddox gearbeitet?« Leland Hayes zeigte auf ihn.
    »Ja, Sir.« Dickey Bryson hatte mir gesagt, ich solle möglichst kurz und knapp antworten.
    »Das war doch mächtig großzügig von ihm, euch Arbeit zu geben, oder?«
    »Schon. Aber wir haben für unser Geld gearbeitet. Er hat uns nichts geschenkt.«
    »Hattet ihr noch andere Jobangebote?«
    »Nein. Aber wir haben hart gearbeitet.«
    »Antworte einfach mit Ja oder Nein. Also, warum habt ihr bei Mr Maddox angefangen?«
    »Wir brauchten Geld.«
    »Warum

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