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Die andere Seite des Himmels: Roman (German Edition)

Die andere Seite des Himmels: Roman (German Edition)

Titel: Die andere Seite des Himmels: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeannette Walls
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Kopf gesenkt, als betrachtete er die Schnürsenkel an seinen Arbeitsschuhen.
    Dickey Bryson forderte ihn auf, genau zu schildern, was er an dem fraglichen Abend gesehen hatte.
    »Nicht viel«, sagte Wayne. »Ich weiß bloß, dass Maddox und das Mädchen hinten in meinem Wagen saßen und sich um Geld stritten. Sie wollte Geld von ihm. Aber gesehen hab ich eigentlich nichts.«
    Bryson blickte verblüfft auf. »Sind Sie sicher?«
    »Ich saß am Steuer. Ich hatte die Straße im Blick.«
    Bryson blätterte seine Unterlagen durch und hielt ein Blatt Papier hoch. »Mr Clemmons, haben Sie bei der Polizei ausgesagt, dass Sie beobachtet haben, wie Jerry Maddox gegenüber Liz Holladay auf der Rückbank Ihres Wagens sexuell und körperlich gewalttätig wurde? Ja oder nein?«
    »Ich weiß nicht mehr, was ich der Polizei erzählt hab«, sagte Wayne. »Ich hab zu der Zeit viel getrunken, und seit ich in Vietnam war, ist mein Gedächtnis so ziemlich im Eimer. Ich vergesse Sachen, die passiert sind, und erinnere mich an Sachen, die nicht passiert sind.«
    »Mr Clemmons, ich weise Sie darauf hin, dass Sie hier unter Eid stehen.«
    »Wie gesagt, ich hatte die Straße im Blick. Wie soll ich da mitkriegen, was hinten im Wagen passiert?«
    Ich wusste selbst nicht, wie mir geschah, aber auf einmal war ich aufgesprungen. »Das ist erstunken und erlogen!«, schrie ich.
    Der Richter ließ seinen Hammer knallen und sagte: »Ruhe im Saal.«
    »Er kann doch nicht dasitzen und Lügen erzäh-«
    Der Richter schlug wieder mit dem Hammer und donnerte: »Ruhe!«
    Dann winkte er den Gerichtsdiener heran, flüsterte ihm was ins Ohr, und der Gerichtsdiener verschwand durch eine Seitentür. Gleich darauf spürte ich eine Hand, die sich fest auf meine Schulter legte. Ich fuhr herum und sah den Gerichtsdiener hinter mir stehen. Er signalisierte mir, ihm zu folgen. Ich stand auf und blickte wütend zu Wayne Clemmons hinüber, der noch immer seine Schnürsenkel studierte. Der Gerichtsdiener führte mich aus dem Saal, und nachdem er die Tür hinter sich geschlossen hatte, sagte er: »Der Richter will dich vorerst drinnen nicht mehr sehen.«
    Fast im selben Moment ging die Saaltür auf, und Wayne kam heraus.
    »Warum haben Sie gelogen?«, fuhr ich ihn an.
    »Das reicht, junge Dame«, sagte der Gerichtsdiener.
    Wayne schüttelte bloß den Kopf und steckte sich eine Zigarette an, während er den Gang hinunter und durch die Drehtür nach draußen ging.
    »Geh nicht zurück in den Zeugenraum«, sagte der Gerichtsdiener, »und es wird nicht mit anderen Zeugen geredet.«
    Ich setzte mich auf eine Bank im Flur. Nach ein paar Minuten tauchte der Gerichtsdiener wieder auf und ging zum Zeugenraum. »Sie sind dran, Miss«, sagte er. Liz kam heraus und folgte ihm in den Gerichtssaal, ohne mich auch nur ein einziges Mal anzusehen.
     
    Es war nach ein Uhr, als die Türen zum Gerichtssaal aufschwangen und alle der Reihe nach herauskamen. Mom und Onkel Tinsley hatten Liz in die Mitte genommen, als wollten sie sie beschützen. Liz hielt die Arme verschränkt und den Kopf gesenkt. Joe und Tante Al waren direkt hinter ihnen.
    »Wie ist es gelaufen?«, fragte ich Liz, aber sie ging an mir vorbei, ohne was zu sagen.
    »Einfach prima«, sagte Mom.
    »Der Verteidiger hat sie ziemlich in die Mangel genommen«, sagte Onkel Tinsley. »Dann hat er Maddox aufgerufen. Der hat im Grunde nichts anderes gesagt, als dass er euch entlassen hat, weil ihr gestohlen hättet, und deshalb hättet ihr zwei euch das alles ausgedacht, um ihm eins auszuwischen.«
    »Verlogener Drecksack!«, sagte ich. »Das können sie ihm doch unmöglich geglaubt haben.«
    »Ich denke, sie wissen nicht, was sie glauben sollen«, sagte Onkel Tinsley. »Aber darüber sollten wir wirklich nicht reden, solange der Prozess noch läuft.«
    Wir gingen rüber zum Bulldog Diner und setzten uns an einen Tisch ganz hinten, unter den Fotos der Bulldogs-Spieler, auch dem von Dickey »Blitz« Bryson. Die Anwälte und der Richter kamen ebenfalls in den Diner und nahmen einen Tisch in der Mitte, gefolgt von ein paar Geschworenen, die sich an die Theke setzten. Als wir gerade die Speisekarten studierten, kamen die Maddox rein und ließen sich an einem Tisch ganz vorne nieder.
    »Da ist der Drecksack!«, sagte ich.
    »Schsch«, sagte Onkel Tinsley. »Sprich nicht über den Prozess. Oder willst du, dass er wegen Verfahrensmängeln eingestellt wird?«
    »Wie sollen wir denn im selben Raum essen wie der? Ich könnte kotzen.«
    »Die

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