Die Anderen - Das Dämonenmal (German Edition)
kann.“
Kurzfristig verzerrte sich Daves Gesicht, ließ seine eigentliche Gestalt durch seine menschlichen Züge hindurchscheinen. Russell wich augenblicklich erschrocken zurück, als der Andere urplötzlich ganz dicht vor ihm auftauchte. Warmer Atem strich über sein furchterfülltes Gesicht. Rote, glühende Augen bannten ihn, wie das Opfer einer Schlange. „Wage es nicht, jemandem davon zu erzählen, Russell!“, knurrte Dave äußerst bedrohlich, bleckte seine scharfen Zähne. „Dieser junge Mensch ist mein alleiniges Eigentum! Niemand legt Hand an ihn!“
Russell schluckte hart und starrte entsetzt in das fremdartige Gesicht vor sich, welches sowohl menschliche Züge trug als auch Daves wahrer Gestalt sehr nahe kam. Er wusste, dass er diese Drohung ernst nehmen sollte. Wenn er es wollte, könnte Dave ihn innerhalb von Sekundenbruchteilen töten. Er hätte keine Chance gegen den Ältesten.
„Das geht niemanden etwas an. Weder dich noch irgendeinen Anderen. Ich warne dich!“, drohte Dave weiter.
„Ich werde nichts sagen“, versicherte Russell hastig, war völlig eingeschüchtert von der Erscheinung vor sich .
„Das weißt du. Ich bin dein Freund!“ Das gefährliche, rote Glühen in den schwarzen Augen wich und Dave lehnte sich wieder zurück.
„Aber du solltest wirklich an die Gefahr denken, die er für uns alle darstellt, wenn er weiterlebt. Mehr sage ich ja nicht dazu“, räumte Russell angespannt ein und hasste seine helle Stimme, die seine Nervosität nur zu deutlich zeigte. Dave war urplötzlich wieder der Mensch, der er zuvor gewesen war. Erneut umspielte ein leichtes Lächeln seine Lippen. Er schien sich nicht eine Sekunde lang aus seinem Sessel erhoben zu haben und Russell zollte ihm widerwillig Respekt für seine unglaubliche Schnelligkeit.
„Das bist du Russell. Ein Freund“, nickte Dave bestätigend und Russell hasste sein menschliches Erbe dafür, doch er fühlte bei diesen Worten große Erleichterung.
„Ich kann also im Moment nur warten, bis mir der junge Mensch zufällig erneut über den Weg läuft!“, resümierte Dave, lachte kurz auf und fixierte dann Russell mit seinen noch immer leicht rot glühenden Augen.
„Wie erbärmlich menschlich! Meinst du nicht auch?“, meinte er plötzlich mit einem schiefen Grinsen im Gesicht. Russell konnte nicht anders und gab das Grinsen zurück. „Erbärmlich menschlich. Wie wahr“, bestätigte er und lächelte dann. Ebenfalls sehr menschlich.
Dave Duncan ging die neuen Architektenentwürfe durch. Sie waren solide, wenn auch nicht gerade spektakulär, dennoch war er zufrieden. Sie würden seinem Kunden gefallen. Menschen waren im Prinzip leicht zufriedenzustellen. In den vielen Jahren seiner Existenz hatte er viel über sie gelernt. Jetzt fehlten nur noch die Grundrisspläne, dann konnte er das Projekt endlich weitergeben. Ärgerlich blickte er auf die Uhr. Der Kurier mit den Plänen war heute sehr spät dran. Gewöhnlich ging das schneller. Gerade als er seine Sekretärin anweisen wollte nachzufragen, warum die Post noch nicht da war, klopfte es auch schon an seiner Tür und sie trat ein, einen jungen Mann in der typischen Kluft der Fahrradkuriere im Schlepptau. Dave sah nur flüchtig von den Unterlagen auf und winkte sie genervt herein. „Herr Duncan, der Kurier ist gerade eingetroffen“, erklärte seine Sekretärin überflüssigerweise und trat zur Seite, um den jungen Mann ins Büro zu lassen.
„Okay, her mit ihm, ich brauche die Pläne jetzt dringend“, antwortete Dave recht ungeduldig, blickte noch immer nicht auf, sondern beschäftigte sich mit den Unterlagen. Der Fahrradkurier blieb direkt vor seinem Tisch stehen und wühlte in seiner großen Umhängetasche nach der Sendung. Erst da nahm Daves Geruchssinn ihn wahr und er erkannte verblüfft, wer da vor ihm stand. Der ungewöhnlich süße, so betörende Geruch, an den er sich noch so gut erinnerte, ließ ihn ruckartig aufblicken. Vor ihm stand ein sehr großer, schlaksiger junger Mann mit hellbraunen, halblangen und leicht gelockten Haaren, dessen Gestalt ihm ebenso in guter Erinnerung war wie der wundervolle Geschmack seines Blutes und seiner köstlichen Furcht. Er war ganz damit beschäftigt, nach dem Paket in seiner Tasche zu suchen, daher bemerkte er nicht, wie sich Daves Augen für wenige Sekundenbruchteile verwandelten, intensiv rot aufleuchteten und dann wieder dunkel und menschlich wurden. Unwillkürlich leckte er sich begehrlich über die Lippen. Seine Sinne waren
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