Die Anderen - Das Dämonenmal (German Edition)
ausmachen können. „Angelika“, erklärte Roger augenzwinkernd. „Wunder dich nicht. Sie ist etwas schräg.“ Er hob Finns Fahrrad aus dem Bus, um an die Kartons zu kommen und schob einen davon an die Tür. Gemeinsam trugen sie den Karton zur Veranda hoch, als die Tür auch schon aufflog und Angelika auf sie zukam.
„Schräg“ war eine nette, maßlose Untertreibung. Angelika hätte jeden Designer wahlweise in den Wahnsinn oder in den Selbstmord getrieben! Finn vermochte nicht einmal allen vorhandenen Farben Namen zu geben, da ihre Summe seine Augen und seinen Verstand schlichtweg überforderten. Die Kräuterhexe trug offenbar einen pinken Rock mit einer weiß-rot getupften Schürze und einem breiten, schwarzen Gürtel, dazu eine neongrüne Bluse mit einer gelben Strickjacke, auf der sich viele kleine, orangefarbene Blüten tummelten, darüber. Ihre Haare waren feuerrot gefärbt. Keine Naturfarbe, sondern wirklich rot gefärbt. Um den Hals klirrten und klimperten Dutzende von Ketten und Anhängern, ebenso an ihren Handgelenken und sogar an ihren Fußknöcheln. Sie trug keine Schuhe. „Wow, das ist ja so toll“, begrüßte sie die Männer, zog das „so“ dabei unendlich lang und klatschte vor Freude wild in die Hände. Finn bemühte sich redlich, den Mund wieder zuzuklappen und das heftige Blinzeln einzustellen. „Klasse, dass du die sogar mit vorbeibringst. Ich bin Angelika“, stellte sie sich vor, trat den beiden Männern in den Weg und streckte Finn auffordernd ihre Hand hin. Der war sogar ganz kurz versucht, sie mechanisch zu nehmen, was eine filmreife Szene mit einem die Treppe hinab stürzenden Karton voller schwülstiger Liebesromane gegeben hätte. Zum Glück wurde das Drehbuch kurzfristig geändert.
„Lass uns erstmal die Kiste abstellen, bevor du ihn befingerst“, stöhnte Roger und Angelika wich klimpernd vor ihnen zurück, blieb aber immer in ihrem Weg und hüpfte wie ein knallbunter Kanarienvogel vor ihnen herum, bis sie den Karton endlich auf dem Tisch auf der Veranda abgestellt hatten.
Dann ergriff sie auch schon Finns Hand, die er ihr zum Gruß hinreichte. „Finn“, stellte er sich vor und keuchte überrascht auf, als sie seine Hand nicht schüttelte, sondern augenblicklich umdrehte, sich über seine Handfläche beugte und die Innenseite eingehend musterte. „Oh! Wow! Das nenne ich ja mal eine interessante Hand!“, rief sie freudig aus. „Deine Handlinien sind ja sehr viel älter als du es bist, Finn.“
Sie drehte die Hand ein wenig hin und her und sah sie überaus interessiert an. Dann zitterte sie plötzlich und er wollte bestürzt seine Hand wegziehen, aber Angelika hielt sie nun so fest umklammert, als würde sie ihn nie wieder aus ihren Fängen lassen.
„Altes Blut! Sehr altes Blut. Blut mit Bestimmung“, murmelte sie plötzlich mit einer ganz anderen Stimme und Finns Verstand hielt sich bereits milde lächelnd die Ohren zu, während er selbst sie noch perplex anstarrte. „Beschwörer! Du bist gezeichnet worden. Er ist so alt und hungrig. Ah, ich sehe es! Zusammen kommt, was zusammengehört. So viel Macht. Teil der Sieben von einst“, fuhr sie träumerisch fort, während Roger Finn einen Blick zuwarf und dabei entschuldigend die Achseln zuckte. „Der Schöpfer und Vernichter in der dunklen Leere!“, beendete Angelika ihren seltsamen Monolog. Sie ließ Finns Hand los, strahlte ihn übergangslos an und sprudelte mit einer ganz anderen, schrilleren Stimme in einem wahren Wortschwall los: „Das ist ja irre, so viele Bücher. Klasse! Die wolltet ihr nicht wirklich alle wegschmeißen, oder? Was für eine Sünde. Das ist ja so klasse! Da muss ich mir ja monatelang keins mehr kaufen. Ich drehe durch. So klasse! Wann soll ich die nur alle lesen? Und ich muss sie ja noch irgendwo einräumen. Oh, das ist so klasse, klasse, klasse! Das sind ja Hunderte!“ Sie war bereits halb im Karton verschwunden, während Finns Verstand nur langsam hinterherhinkte. Wie war das im Mittelteil? Altes Blut? Beschwörer? „Was? Was hast du da gesagt?“, fragte er überaus verwirrt nach und kam sich vor, als ob er das Drehbuch nicht gelesen hätte. Angelika kam wieder hoch und strahlte ihn abermals an. „Ich? Oh, ich rede nicht durch die Hand, das tun andere für mich“, erklärte sie nur und zog das erste Buch mit einem hellen, quietschenden Geräusch aus dem Karton, ließ sich damit sofort in einen Korbsessel fallen und blätterte es gierig durch.
Roger zog den perplexen Finn mit sich zum
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