Die Anderen - Das Dämonenmal (German Edition)
musste.
„Bei den traditionellen Bögen gibt es kein Visier. Du musst intuitiv schießen“, erklärte er. „Einfach aus dem Bauch heraus. Es fühlen. Das ist ein bisschen wie mit einem Joystick das Ziel anzupeilen.“
Michael erklärte Finn, wie er den Bogen spannen musste. „Den Arm ganz gerade nach hinten ziehen. Gerade. Stütze deine Hand leicht am Wangenknochen ab. So. Ja. Und nun kannst du deinen Joystick bewegen. Suche das Ziel über den Pfeil.“
Geduldig korrigierte er Finns Haltung. Dem rutschte der Pfeil immer wieder ab, da der Bogen auch über keine Führung verfügte. Nach einer Weile gelang es Finn, den Pfeil aufzulegen und den Bogen zu spannen. „Und nun lass den Pfeil einfach fliegen. Es ist alles eine fließende Bewegung“, erklärte Michael weiter. „Auflegen, spannen, halten, Ziel suchen und fliegen lassen.“ Finns Pfeil flog davon und schlug mit einem leisen „Tock“ unten in die Holzwand ein.
„Ja, genau so. Nicht schlecht“, bestätigte Michael anerkennend. „Jetzt probiere mal, dem Ziel näher zu kommen. Der Pfeil war zu tief, also musst du jetzt höher zielen.“ Der nächste Pfeil flog zischend davon und traf höher, wenngleich noch immer zu weit vom Ziel entfernt, ins Holz.
„Ja, genau so. Probiere es einfach weiter, nach einer Weile kriegt man das ganz gut hin“, überließ Michael Finn den Bogen. Die Sache fing langsam an, richtig Spaß zu machen. Es war ein sehr angenehmes Gefühl, den Körper beim Einatmen anzuspannen, den Bogen zu spannen und mit dem Ausatmen den Pfeil fliegen zu lassen. Das Ganze hatte etwas sehr Meditatives, Beruhigendes an sich. Rasch wurde Finn zielsicherer und dann gelang es ihm gleich fünfmal hintereinander, beinahe die Mitte des Ziels zu treffen. War die Rolle des Robin Hood eigentlich noch zu vergeben ?, jubelte er innerlich.
Sie unterbrachen erst, als Roger, frisch geduscht und mit nassen Haaren, aus dem Haus in den Garten kam und Teller auf dem Tisch verteilte.
„Hey, ihr Bogenschützen. Essen fassen“, rief er zu ihnen herüber.
„Danke“, sagte Finn überaus zufrieden zu Michael. „Das war echt toll. Gefällt mir sehr.“ „Kein Problem. Machst du nicht schlecht. Solltest du ruhig öfter machen“, brummte Michael, als er die Bögen abspannte und sie an den Tisch lehnte.
„Rekrutierst du gerade einen neuen Schützen?“, warf Roger ihnen lachend zu und erklärte an Finn gewandt: „Michael braucht noch Bogenschützen für unser Schaubild.“
„Äh ..., das war doch mein erstes Mal“, protestierte Finn sofort abwehrend. „Dafür klappte es aber schon ganz gut, oder, großer Meister?“, antwortete Roger mit einem Blick auf Michael und zwinkerte Finn dabei breit grinsend zu. „Stellt sich nicht ganz dumm an, der lange Lulatsch“, brummte Michael nur und zog sich den Tonkrug heran.
Finn wurde etwas rot und musste verlegen lächeln. Michael gefiel ihm. Er schien definitiv wortkarger zu sein als Roger, strahlte aber eine ruhige, sichere Art aus. Die drei Mittelalterfans hier waren ihm, ähnlich wie Robert, einfach auf Anhieb sympathisch. Angelika kam aus dem Haus und balancierte dabei ein Tablett mit diversen Tontellern. Roger verteilte bereits kleine Tonschüsseln und Finn betrachtete etwas misstrauisch den groben Holzlöffel dazu.
„Kürbissuppe“, strahlte Angelika, als sie ihm von der orangefarbenen Suppe einfüllte. „Und selbstgemachtes Dinkelbrot mit Hafer. Die Butter stammt von einem Ökohof hier und wird dir gut schmecken. Etwas ganz anderes als das Zeugs, was man sonst so kaufen kann. Probiere es mal.“
„Das Faible für das Mittelalter macht also auch nicht vor den Essgewohnheiten halt,“ bemerkte Finn erstaunt und erntete ein zustimmendes Nicken der anderen.
„Wofür ist die fünfte Schüssel denn?“, erkundigte sich Roger und blickte von seiner Suppe zu Angelika hinüber.
„Oh, Max wollte eigentlich auch gleich kommen. Ich glaube, ich höre ihn auch schon“, antwortete sie lächelnd und die drei Männer hoben lauschend den Kopf. Leises Hufgetrappel war zu hören.
Finn verschluckte sich tatsächlich an seiner Suppe und hustete, als kurz danach ein großes, schwarzes Pferd, mit weißem Behang an den Fesseln, um die Ecke bog.
Roger hatte ihm bereits von Max, dem Barden der Gruppe, erzählt, und da kam er nun auf einem mächtigen Shirehorse auf den Hof geritten und sah definitiv völlig anders aus, als Finn ihn sich vorgestellt hätte. Max war recht klein, ein wenig rund und sah auf dem riesigen Pferd
Weitere Kostenlose Bücher