Die Anderen - Das Erbe erwacht (German Edition)
Oberkiefer und erschrocken riss sich Dave von Finn los, verwandelte sich augenblicklich zurück. Hastig wich er von Finn ab und erhob sich geräuschlos vom Bett. Sein Blick glitt grübelnd über die schlanke Gestalt unter der Bettdecke. Die Decke bedeckte nicht den ganzen Körper. Im Schlaf hatte Finn seine Füße unter der Decke hervor geschoben und auch von der Schulter war sie ihm gerutscht. Sehnsuchtsvoll betrachtete Dave die helle, weiße Haut, war versucht, sie zu berühren, sie zu streicheln, seine Krallen darüber gleiten zu lassen, sie zu ritzen, bis das süße Blut hervor quoll und dann ...
Aufkeuchend wich er weiter zurück und blieb erneut stehen. Mühsam kämpfte er gegen den Drang an, sich erneut zu verwandeln und seine Fänge doch noch in die entblößte Schulter des jungen Menschen zu schlagen.
Rasch verließ er den Raum und lehnte sich im Flur an die Wand, um seine Gedanken zu sortieren. Es war Nacht und es war völlig normal, dass er diese Gier stärker verspürte, auch wenn er letzte Nacht gejagt hatte. Das Fleisch des alkoholisierten Mannes, den er in einer dunklen Straße auf seinem Weg nach Hause erwischt hatte, hatte ihm nicht wirklich geschmeckt, hatte seine Gier nicht so stillen können wie Finns Energie, wenn er mit ihm Sex hatte.
Wütend schlug Dave mit der Faust gegen die Wand, hinterließ eine deutliche Delle in der Gipskartonwand. Warum war das alles so verwirrend? Er konnte ihn sich doch einfach nehmen. Es war im Grunde nur ein gewöhnlicher Mensch. Sein Blut war etwas besonderes, doch Dave hatte schon zuvor Mirjahnblut gekostet. Es schmeckte besser, edler und der Reiz der Gefahr machte es begehrenswert. Finns Erbe regte sich gerade eben, würde sich noch nicht wirklich bemerkbar machen. Noch war er leicht zu besiegen. Was machte also Finn so anders?
Dave hasste diesen verwirrenden Zustand. Zudem war er sich der Gefahr durch den jungen Mann durchaus bewusst. Wenn er noch länger wartete, würde Finn bald schon ein gefährlicher Gegner werden können. Er sollte es jetzt beenden, seinen Hunger stillen und die Gefahr bannen, bevor sie zu groß wurde. Es war an der Zeit, diesen merkwürdigen und erschreckenden Gefühlen ein Ende zu bereiten, endlich wieder zu dem zu werden, was er vorher gewesen war. Jahrtausendelang. Diese eigenartige Sehnsucht hatte ihn schon lange begleitet, war vertraut, er würde auch ohne deren Erfüllung weiter leben können.
Dave wandelte sich und entschlossener kehrte der Dämon ins Schlafzimmer zurück. Gierig leckte er sich die Lippen, freute sich auf den Geschmack des Fleisches, welches wunderbar mit Finns Geruch verbunden war. Geifer tropfte ihm aus dem Maul, als er sich schnuppernd Finns Hals näherte. Dort war sein Mal, eine halbrunde Narbe. Er hatte ihn gezeichnet, für jeden sichtbar, als sein Eigentum markiert und nun würde er ihn sich endlich völlig nehmen. So, wie es sein sollte.
Der Dämon öffnete das Maul mit den blitzenden Reißzähnen, stoppte jedoch wenige Zentimeter über dem Hals abrupt ab, als sich Finn plötzlich bewegte. Dessen Lippen murmelten etwas; er drehte sichauf die andere Seite und lächelte im Schlaf. Der Dämon riss bestürzt die Augen auf. Vorhin hatte Finn ihn angesehen mit diesen hellbraunen Augen und diesem besonderen Lächeln auf den Lippen, kurz bevor er ihn geküsst hatte. Ruckartig sprang Dave zurück und verwandelte sich zurück. Verdammt! Was tat er nur? Beinahe hätte er Finn doch verletzt! Hatte er sich denn gar nicht mehr unter Kontrolle?
Dave trat ans Fenster, öffnete es und starrte minutenlang in die Nacht hinaus. Wenn er in diesem Zustand hier blieb, würde der Dämon sich an Finn vergehen. Er musste hier raus. Rasch kletterte er auf das Fensterbrett und ließ sich fallen. Auf dem Weg nach unten verwandelte er sich und schwang sich mit wenigen Schlägen seiner ledernen Schwingen in den Himmel hoch. Er musste dringend den Hunger in sich stillen, sich ein Opfer zum Töten suchen und das tat er besser weit weg von diesem einen Menschen, den er eben nicht töten wollte.
„Die hintere Tür ist auch abgeschlossen“, bemerkte Angelika und die Unsicherheit in ihrer Stimme war nur zu offensichtlich. Roger trat hinzu und legte den Kopf in den Nacken, um zu Peters Wohnung hoch zu schauen.
Sie waren heute Morgen gemeinsam nach Lüneburg gefahren, um Peter Richter, Finns Chef im Buchladen, nach dessen Adresse zu fragen. Eine Stunde hatten sie vor dem Laden gewartet, jetzt war es nach 11 Uhr, der
Weitere Kostenlose Bücher