Die Angebetete
Satellitenfotos des Geländes angefordert und den Wohnwagen entdeckt. Tarnnetze funktionieren nicht wirklich.«
Edwin war von Kathryn Dance beeindruckt, aber im nächsten Moment war sie bereits wieder vollständig aus seinen Gedanken verschwunden. Seine Augen richteten sich auf Kayleigh, die trotzig und breitbeinig dastand und seinen Blick kalt erwiderte. Dennoch kam es ihm so vor, als würde sie versuchen, mit ihm zu flirten.
Sobald ihr Haar nachgewachsen war, würde sie wieder wunderschön sein.
Mein Gott, wie sehr er sie doch liebte.
78
Um neunzehn Uhr dreißig an jenem Abend war Kathryn Dance backstage im Kongresszentrum.
Es hatte Überlegungen gegeben, das Konzert abzusagen, aber ausgerechnet Kayleigh Towne hatte energisch darauf bestanden, es stattfinden zu lassen. Der Saal füllte sich zügig, und Dance spürte das gleiche elektrische Kribbeln wie vor Jahren, als sie selbst als Folksängerin auf der Bühne gestanden hatte.
Es gab wirklich nichts Vergleichbares: dieses absolute Hochgefühl, der machtvolle Gleichklang von Stimme und Musik, der aus den Lautsprechern strömte, das Publikum, das ihres wurde in einer Verbindung von magischer Intensität. Wer einmal dort im Scheinwerferlicht gestanden hat, kann leicht nachvollziehen, wie süchtig man danach wird, Tausende von Leuten in den Bann zu schlagen. Diese Kraft, diese Droge der Aufmerksamkeit, Zuneigung, Sehnsucht.
Deshalb traten Künstler wie Kayleigh Towne immer wieder hinaus auf die Bühne, trotz der Erschöpfung und der Entbehrungen für die Familien … und trotz des Risikos, das von Leuten wie Edwin Stanton Sharp ausging.
Die Sängerin hatte sich für das Konzert umgezogen – und kam natürlich als braves Mädchen daher. Mit dem einzigen Unterschied, dass sie heute Abend ein braves Mädchen war, das mit seinen Freunden Softball gespielt hatte; eine Mütze der Cal State Fresno Bulldogs bedeckte ihr kurzes Haar.
Im Augenblick stand sie ein Stück abseits und machte sich mit einer neuen Gitarre vertraut. Sie würde ihre geliebte Martin erst wieder benutzen, wenn das Instrument mit neuen Saiten versehen und gründlich gereinigt worden war – wegen der Plektren aus Menschenknochen, die Edwin ihr geschenkt hatte. Dance war zwar nicht im Mindesten abergläubisch, konnte sie aber dennoch gut verstehen; sie selbst hätte die Gitarre vielleicht sogar weggeworfen und sich eine neue gekauft.
»Hallo.«
P. K. Madigan kam angeschlendert, in Begleitung einer kleinen, rundlichen Frau von etwa vierzig Jahren. Sie hatte ein hübsches Gesicht, das für immer einen jugendlichen Einschlag behalten würde, mit großen fröhlichen Augen und Sommersprossen, eingerahmt von einer braunen Pagenfrisur. Dance fand es bezaubernd, dass die beiden Händchen hielten.
Er machte Dance mit seiner Frau bekannt.
»Das CBI ist in Fresno stets willkommen«, sagte Madigan. »Vorausgesetzt, Sie sind die Verbindungsfrau.«
»Abgemacht. Lassen Sie uns nur hoffen, dass Sie keine weiteren Fälle wie diesen auf den Tisch bekommen.«
»Wir werden uns das Konzert mal anhören«, fügte er zweifelnd hinzu. »Jedenfalls vorerst. Solange es nicht zu laut wird. Oh, hier.«
Er gab ihr eine kleine Schachtel. Dance öffnete sie und lachte. Es war ein Dienstabzeichen des Fresno-Madera Consolidated Sheriff’s Office.
»Unser Blechstern.«
Sie bedankte sich und widerstand dem Impuls, sich das Abzeichen an ihre grüne Seidenbluse zu heften.
Madigan sah sich mürrisch um. »Also gut«, sagte er schließlich und führte seine Frau zu ihren Plätzen. Dance bildete sich das womöglich nur ein, aber er schien nach etwas im hinteren Teil der Halle Ausschau zu halten. Nach Schatten, nach Stalkern oder nach Eisverkäufern?
Sie richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf Kayleigh, die die neue Gitarre mit einigen Anweisungen an Tye Slocum weitergereicht hatte. Dann sprach die Sängerin mit der Band über ein paar kurzfristige Änderungen bezüglich der Reihenfolge und der Zeitpunkte diverser Instrumentalsoli. Sie hatte zudem in einem ihrer Songs, der Bobby gewidmet war, eine der Strophen umgeschrieben, sodass sie nun mehrere Zeilen über Alicia enthielt. Sie hatte Dance anvertraut, dass sie hoffte, während des Liedes nicht in Tränen auszubrechen.
Tye Slocum kam und teilte Kayleigh mit, die Gitarre sei wie gewünscht eingestellt. Sie dankte ihm, und der große Mann verharrte einen Moment. Sein sonst so unsteter Blick richtete sich ein- oder zweimal auf das Gesicht der Sängerin. Dann ging er weg.
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