Die Angebetete
Absperrband in der Brise.
Dance überlegte hin und her.
Ich will nicht. Das wird fürchterlich.
Doch zehn Sekunden später traf sie ihre Entscheidung, rief die CBI -Dienststelle in Monterey an und hinterließ ihrem Chef eine Nachricht auf der Mailbox.
»Charles, hier spricht Kathryn. Ich muss in Fresno die Leitung eines Falls übernehmen. Bitte rufen Sie mich wegen der Einzelheiten zurück.« Sie zog in Erwägung, ihm die Vorwarnung zu geben, dass als Folge dieser Entscheidung ein gewaltiger Krach und ein politischer Albtraum drohten.
Doch dann beschloss sie, es ihm lieber im direkten Gespräch mitzuteilen.
17
Kayleigh Townes zweigeschossiges Zuhause im viktorianischen Stil stand nördlich von Fresno auf einer mehrere Hektar großen Parzelle.
Das Haus war nicht groß – etwa zweihundertdreißig Quadratmeter –, aber bei seiner Errichtung hatten die Handwerker einer festen Vorgabe folgen müssen: Es sollte bequem und behaglich werden. Kayleigh war eine Nestbauerin – was schwierig ist, wenn man sich jedes Jahr sieben Monate auf Reisen befindet –, und sie wollte ein gemütliches und familientaugliches Zuhause.
Als sie zwölf Jahre alt gewesen war, hatte Bishop Towne das Haus verkauft, in dem sie und ihre Schwester aufgewachsen waren, einen baufälligen alten Kasten in den Bergen nördlich von Fresno. Er hatte damals gesagt, man sei dort im Winter viel zu schwer zu erreichen, aber in Wahrheit hatte er andere Gründe gehabt: Erstens, sein Vater hatte es gebaut, und Bishop hätte alles in seiner Macht Stehende getan, um sich von seinem Alten zu distanzieren. Und zweitens, die schlichte Behausung passte nicht mehr zu seinem Image und dem Leben, das er fortan führen wollte: das eines dynamischen Country-Superstars. Also hatte er im Valley zwanzig Hektar Land gekauft, darauf eine Zehn-Millionen-Dollar-Ranch gebaut und sie mit Rindern und Schafen bevölkert, über deren Aufzucht er nichts wusste (und die ihn auch kein Stück interessierte).
Der Umzug war schon traumatisch genug für Kayleigh gewesen, doch noch viel schlimmer war, dass Bishop den geliebten alten Familiensitz samt Grundstück an eine benachbarte Minengesellschaft verkauft hatte. Die wollte expandieren, machte das alte Haus dem Erdboden gleich und ging dann bankrott. Der Abriss wäre also gar nicht nötig gewesen. Und das Mädchen war am Boden zerstört.
Später schrieb sie dann sogar einen Song über ihr altes Zuhause, der ein riesiger Hit wurde.
I’ve lived in L. A., I’ve lived in Maine,
New York City and the Midwest Plains,
but there’s only one place I consider home.
When I was a kid – the house we owned.
Life was perfect and all was fine,
in that big old house, near the silver mine.
Ich habe in L. A. gewohnt und in Maine,
in New York City und im Mittelwesten,
aber als Zuhause würde ich nur einen
einzigen Ort bezeichnen,
nämlich das Haus, in dem ich aufgewachsen bin.
Das Leben war perfekt, und alles war in Ordnung
in dem großen alten Haus bei der Silbermine.
The silver mine … the silver mine.
I can’t remember a happier time,
in that big old house … near the silver mine.
Bei der Silbermine … der Silbermine.
Ich war nie so glücklich wie damals
in dem großen alten Haus … bei der Silbermine.
Der Mann, der einst für diese Umsiedlung verantwortlich gewesen war, betrat nun Kayleighs geräumiges Wohnzimmer, bückte sich umständlich und umarmte sie.
Bishop befand sich in Begleitung seiner vierten Frau, Sheri. Sie drückte Kayleigh ebenfalls kurz an sich und nahm dann Platz, wenngleich sie zunächst angestrengt überlegte, welches Möbelstück ihr dafür angemessen erschien. Das aschblonde Haar der zierlichen, aber vollbusigen Frau war fest mit Spray fixiert. Sie war nur ein Dutzend Jahre älter als Kayleigh, ganz im Gegensatz zu Ehefrau Nummer drei, die auf dieselbe Highschool wie Bishops Tochter hätte gehen können – allerdings in eine Klasse unter ihr.
An Ehefrau Nummer zwei konnte Kayleigh sich kaum noch erinnern. Bishop auch nicht.
Er ließ seinen massigen Leib nun auf eine Couch sinken, ganz langsam – langsamer als viele Leute, die noch älter waren als er. »Ich würde es heutzutage auf keinen Barhocker mehr schaffen«, hatte er kürzlich geklagt, und im ersten Moment hatte Kayleigh geglaubt, er wolle mal wieder betonen, dass er längst nicht mehr soff und sich prügelte. Dann aber hatte sie erkannt, dass er seine Gelenke meinte, seine Hüften, Knie und Schultern.
Er trug eine billige Jeans und das übliche
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