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Die Angebetete

Die Angebetete

Titel: Die Angebetete Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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Verfassung bist. Und glücklich. Darauf kommt es an«, beteuerte er.
    Sie schaute schon wieder aus dem Fenster und zu dem kleinen Gehölz, das in hundert Metern Entfernung ihr Grundstück von der Straße trennte. Eigentlich hatte sie die Bäume gepflanzt, weil sie Ruhe und Abgeschiedenheit wollte, doch nun konnte sie nur daran denken, dass sie Edwin eine hervorragende Deckung bieten würden und er sich so dem Haus noch weiter nähern konnte.
    Es erklangen weitere Arpeggios – Akkorde, deren Töne nacheinander gespielt wurden anstatt gleichzeitig. Kayleigh dachte automatisch: vermindert, Moll 6, Dur. Die Gitarre machte alles, was Bishop wollte. Er hätte sogar einem Ast eine Melodie entlocken können.
    Sie dachte: Bishop Towne hat Konzerte verpasst, weil er bewusstlos oder im Gefängnis war. Aber er hat nie eines abgesagt.
    Er stellte die Gitarre zurück. »Wir müssen noch zu dieser Besprechung«, sagte er zu Sheri.
    Die Frau, die für jeden Wochentag ein anderes Parfum zu besitzen schien, stand sofort auf und streckte unwillkürlich die Hand nach Bishops Arm aus, besann sich dann aber eines anderen. Sie wollte in Gegenwart seiner Tochter Diskretion walten lassen.
    Sie gibt sich wirklich Mühe, dachte Kayleigh.
    Ich hasse dich nicht.
    Ich kann dich nur nicht ausstehen.
    Kayleigh rang sich dennoch ein Lächeln ab.
    »Hast du noch das Geschenk, das ich dir vor einigen Jahren gemacht habe?«, fragte Bishop seine Tochter.
    »Ich habe alle deine Geschenke noch, Daddy.«
    Sie begleitete die beiden zur Tür und stellte belustigt fest, dass Darthur Morgan die Besucher misstrauisch zu beäugen schien. Das Paar stieg in einen verstaubten SUV und fuhr los. Am Steuer des riesigen Gefährts saß die zierliche Sheri. Bishop hatte das Autofahren schon vor acht Jahren aufgegeben.
    Kayleigh wollte eigentlich noch weitere Anrufe erledigen, konnte sich aber nicht dazu durchringen. Sie ging in die Küche, streifte Arbeitshandschuhe über und trat hinaus in den Garten. Es war einer ihrer Lieblingsorte, mit Blumen und Kräutern und Beeten – was auch sonst in diesem Teil von Kalifornien? Sie wohnte in der ertragreichsten Agrarregion der ganzen USA .
    Sie mochte die Gartenarbeit nicht wegen des Wunders des Lebens, der Umwelt oder der Erdverbundenheit. Kayleigh Towne genoss es einfach, sich mal die Hände schmutzig zu machen und an etwas anderes als an die Musikbranche zu denken.
    Außerdem konnte sie hier von ihrem zukünftigen Leben träumen, wenn sie gemeinsam mit ihren Kindern in Gärten wie diesem herumwerkeln würde. Und aus dem selbst gezogenen Gemüse würde sie Soßen und Aufläufe und Schmorgerichte zaubern.
    I remember autumn, pies in the oven,
sitting on the porch, a little teenage lovin’,
riding the pony and walking the dogs,
helping Daddy outside, splitting logs.
Life was simple and life was fine,
in that big old house, near the silver mine.
    Ich erinnere mich an den Herbst,
an Kuchen im Ofen,
wie wir auf der Veranda gesessen haben und
ich zum ersten Mal verliebt war,
an die Ritte auf dem Pony und
das Herumtollen mit den Hunden
und daran, wie ich Daddy draußen
beim Holzhacken geholfen habe.
Das Leben war einfach, und das Leben war gut
in dem großen alten Haus bei der Silbermine.
    Ich sage das Scheißkonzert ab, dachte sie.
    Sie stopfte sich das Haar unter einen albernen Sonnenhut aus Leinen und inspizierte ihre Beete. Es war heiß, aber auf tröstliche Weise. Insekten summten ihr um den Kopf, und sogar diese hartnäckigen Plagegeister hatten etwas Beruhigendes an sich, als würden sie Kayleigh daran erinnern, dass das Leben nicht nur aus Bühnenauftritten bestand.
    Nicht nur aus der Branche .
    Doch plötzlich erstarrte sie: Da blitzte irgendwas auf.
    Nein, nicht Edwin. Das war nicht das Rot seines Wagens.
    Was war das? Es kam aus Richtung Süden, von der linken Seite, wenn man den Garten vor sich hatte, in ungefähr hundert Metern Entfernung, und zwar weder von Edwins üblichem Standort beim Arboretum noch von der Hauptstraße davor. Dort gab es einen schmalen Zufahrtsweg, der in rechtem Winkel abzweigte. Ein Bauherr hatte das angrenzende Land vor einem Jahr gekauft, war dann aber pleitegegangen, bevor mit der Arbeit am Haus begonnen werden konnte. Waren das Landvermesser? Letztes Jahr hatte sie sich noch gefreut, dass aus dem Bau nichts wurde; sie hatte ihre Privatsphäre gewollt. Nun freute sie sich widersinnigerweise darüber, dass Arbeiter – und letztlich Nachbarn – da sein würden, um Edwin und andere wie ihn

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