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Die Angebetete

Die Angebetete

Titel: Die Angebetete Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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das Label hatten dem Schatten von Edwin Sharp allerdings auch nicht entkommen können. Der Stalker hatte die Firma mit E-Mails überschwemmt, in denen er die Wahl der Instrumentierung, die Tempi und die Produktionsmethoden kritisierte. Er beanstandete niemals Kayleighs Stimme oder die eigentlichen Songs, behauptete jedoch, dass Zeigler, die Tontechniker und die Studiomusiker »ihr nicht gerecht« würden. Das war eine seiner Lieblingsphrasen.
    Kayleigh hatte einige der E-Mails zu sehen bekommen, und obwohl sie es niemandem je eingestand, hielt sie manche von Edwins Einwänden für berechtigt.
    »Da ist bloß noch eine Sache«, sagte Sheri schließlich. »Ich meine …« Ein Blick zu Bishop, der seine Milch genauso andächtig trank, wie er früher seinen Bourbon getrunken hatte. Als er ihr nicht ins Wort fiel, fuhr sie fort: »Das Mittagessen morgen – für den Fan des Monats. Glaubst du, es kann stattfinden?«
    Alicia Sessions hatte bei Facebook und auf Kayleighs Internetseite eine entsprechende Werbeaktion gestartet. Sheri war von Bishop mehr oder weniger zwangsverpflichtet worden, sich für die Marke Kayleigh Towne diverse Projekte zur Absatzförderung auszudenken. Die Frau hatte früher im Einzelhandel gearbeitet und einige gute Ideen beisteuern können.
    »Das ist alles schon vorbereitet, nicht wahr?«, fragte Bishop.
    »Wir haben den Raum im Country Club angemietet. Es würde dem Jungen so viel bedeuten. Er ist ein großer Fan.«
    Nicht so groß wie jemand anders, den ich kenne, dachte Kayleigh.
    »Und es ist gute Publicity.«
    »Keine Reporter«, sagte Kayleigh. »Ich möchte nicht über Bobby sprechen. Und sie würden mich garantiert nach ihm fragen.« Alicia hatte bislang alle Pressegesuche abgelehnt – und es waren jede Menge davon eingegangen. Doch wenn die persönliche Assistentin mit dem stählernen Blick einmal Nein sagte, gab es keine weitere Diskussion.
    »Wir werden vorher feste Regeln erlassen«, sagte Bishop. »Niemand darf dir Fragen über die Vorfälle im Kongresszentrum stellen.«
    »Ich kümmere mich darum«, sagte Sheri mit einem verunsicherten Blick zu Bishop. »Ich spreche das mit Alicia ab.«
    »Also gut, meinetwegen«, stimmte Kayleigh schließlich zu. Sie musste an das letzte Mal denken, dass sie allein mit Bobby zu Mittag gegessen hatte. Es lag erst eine Woche zurück. Ihr kamen schon wieder die Tränen.
    »Okay«, sagte Bishop. »Und wir werden uns dort nicht lange aufhalten. Sagt diesem Fan, dass Kayleigh leider nur wenig Zeit hat.«
    Da sie in einem Punkt nachgegeben hatte, wagte Kayleigh einen weiteren Vorstoß: »Aber wegen des Konzerts bin ich mir wirklich noch nicht sicher, Daddy.«
    Bishop brummte etwas, das wohl Verständnis ausdrücken sollte, beugte sich vor und schnappte sich eine der Gitarren, die seine Tochter im Wohnzimmer stehen hatte, eine alte Guild mit dünnem Hals, goldener Fichtenholzdecke und einem kraftvollen Tenorklang. Er spielte Elizabeth Cottens Version von »Freight Train«.
    Bishop Towne war ein begabter Fingerpicker, der synkopierte Rhythmen bevorzugte, ganz im Stil von Artie und Happy Traum oder Leo Kottke (und er wollte verdammt sein, wenn er nicht auch ein genauso guter Flatpicker war wie Doc Watson; Kayleigh hingegen nutzte das Plektrum lediglich fürs Akkordspiel). Seine großen Hände hatten das Griffbrett vollständig unter Kontrolle. In der Popmusik war die Gitarre anfangs ein reines Rhythmusinstrument gewesen – so wie Drums oder Maracas; erst seit etwa achtzig Jahren übernahm sie auch die Melodie. Kayleigh benutzte ihre Martin im ursprünglichen Sinne, nämlich zur Begleitung ihres Hauptinstruments, einer Vier-Oktaven-Stimme.
    Sie dachte an Bishops einst so klangvollen Bariton und dann schaudernd an das, was daraus geworden war. Bob Dylan zum Beispiel hatte nie eine sanfte Stimme besessen, aber sie war voller Gefühl und Leidenschaft, und er traf damit wenigstens die Noten. Wenn Kayleigh und Bishop mal ein Duett sangen – auf einer Party und gelegentlich auch bei Konzerten –, wechselte sie in eine Tonart, die er noch schaffen konnte, und überdeckte die Noten, die ihm Schwierigkeiten bereiten würden.
    »Wir werden dafür sorgen, dass es nicht lange dauert«, verkündete er erneut.
    Was?, dachte Kayleigh. Das Konzert? Dann fiel es ihr wieder ein: das Mittagessen mit dem Fan. War das morgen oder übermorgen?
    Oh, Bobby …
    »Und über das Konzert reden wir noch. Mal sehen, wie es dir in ein oder zwei Tagen geht. Ich möchte, dass du in guter

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