Die Angst der Boesen
solche Bemerkungen machen und damit zurechtkommen.
20
Sven hatte eigentlich gar keinen Bock, schlechte Laune zu haben. Es war Freitagabend und Sommer, die Luft warm und der Abend endlos hell. Er war zwar nicht verabredet, aber er bildete sich ein, es zu sein. Lilly vom Training abzuholen sollte eine Überraschung werden. Sie könnten draußen im Bikercafé an der Autobahn ein paar Bierchen trinken und Pommes essen, später in die Disco und noch später vielleicht in das Schrebergartenhäuschen seiner Oma. Auf der Eckbank unter dem Hirschgeweih hatten sie das erste Mal miteinander gevögelt.
Ja, das war ein perfekter Plan für eine perfekte Nacht.
Wenn er sich nur nicht schon wieder mit seinem Alten gezofft hätte.
Der war arbeitslos, solange Sven denken konnte. Warum also bestand er plötzlich darauf, dass Sven sich einen »anständigen Ausbildungsplatz« suchte? Sollte er sich doch selber einen Job suchen.
Die blöde Bewerbungsschreiberei hing Sven zum Hals raus. Außerdem wusste er, dass ihn mit seinem Zeugnis ehkeiner nehmen würde. Wenn er Kohle machen wollte, sah er nur eine Chance: Ins Fernsehen kommen, sich bei einer Doku-Soap bewerben, bei einer Gerichtsshow starten oder so, das wäre was. Lilly würde seinetwegen jeden Abend vor der Glotze hängen. Dann würde sie wenigstens zunehmen und nicht mehr so dürr sein. Scheiß auf die Mode, er stand mehr auf mollige Frauen, man wollte ja was in der Hand haben ... wie in den Filmen, da hatten die auch etwas mehr Fleisch.
Sven lachte vor sich hin, als er durch die Unterführung ging und die Stufen zum S-Bahnhof hinaufstieg. Lilly würde ihn umbringen, wenn sie seine Gedanken lesen könnte. Aber schlafen würde sie trotzdem mit ihm. Sven leckte sich genüsslich die Lippen, klar würde sie das. Sie hatte ihm ja auch erlaubt, dass er sie oben ohne fotografierte.
Grinsend trat er auf den Bahnsteig. Locker noch zehn Minuten zu warten und keiner zum Quatschen da, keiner, dem er vielleicht die Lilly-Fotos auf seinem Handy zeigen könnte, überhaupt kein Mensch hier oben um diese Zeit. Schade, er hätte gern ein bisschen angegeben, aus Vorfreude sozusagen.
Hinter ihm in der Unterführung hallten Schritte. Er drehte sich kurz um: nur der stinkende Penner, der schon im Linienbus zwei Reihen vor ihm gesessen hatte. Solche Typen fuhren den ganzen Tag Bus und nervten die Leute mit ihrer Anwesenheit. Konnten die sich nicht wenigstens verstecken, wenn sie schon so faul waren und die Luft verpesteten? Wieso suchten die sich keine Arbeit?
Sven ärgerte sich, denn nun musste er wieder an seinen Vater denken. Was hatte der Alte in seinem versoffenen Kopf behauptet: Heute Nachmittag hatte jemand aus einem Metall verarbeitenden Betrieb angerufen, bei dem er, Sven Lange, eben ein Bewerbungsgespräch verpasst hätte?
Schwachsinn, er hatte keinen Termin verschlunzt. Aber sein Vater glaubte natürlich diesem Anzugträger, der ihm eine halbe Stunde am Telefon das Ohr abgekaut hatte. Angeblich hatte der Mann auch ganz viel über Sven wissen wollen und schließlich gemeint, er fände ihn passend für den Job. Nur wo genau sich Sven am Montag noch einmal vorstellen sollte, das konnte sein Vater ihm nicht sagen. Typisch! Das Wichtigste vergaß er zu fragen und blaffte dann Sven an, das müsste er doch wissen.
Also würde Sven wohl die Hoffmann fragen müssen. Sicher hatte sie den Kontakt hergestellt. »Ich muss meine Schäfchen unterbringen«, sülzte sie immer, »ihr sollt eine Zukunft haben.«
Er hätte mehr Zeit und mehr Zukunft ohne diese dämliche Kindergartentante, die es immer nur gut meinte. Lilly sah das genauso, sie konnte die Hoffmann auch nicht leiden.
Sven schob die Hände in die Jeanstaschen, sah im Augenwinkel den Penner rumlungern, sah ihn sich wie eine hungrige Straßenkatze ranschleichen und dachte, dass er eigentlich mal pinkeln gehen könnte.
Der Hauptpunkt aber, weshalb er den offiziellen Bahnsteigbereich verließ und sich breitbeinig hinter ein Stromhäuschen stellte, war, dass er seit der Abschlussfahrt keine Penner mehr sehen konnte. Sie waren ihm zuwider und unheimlich zugleich. Der Schock über die Drohung am Telefon war zwar schnell vergessen, aber trotzdem machten solche Menschen ihn neuerdings unruhig. Bei diesem hier äußerte es sich so, dass er quasi auf seine Blase drückte. Sven öffnete seinen Hosenstall, und während er auf die Gleise guckte und die körperliche Erleichterung spürte, versuchte er sich abzulenken und an Lilly zu denken, das
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