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Die Angst der Boesen

Die Angst der Boesen

Titel: Die Angst der Boesen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristina Dunker
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er’s nicht tut, mach ich’s.«
    »Danke«, flüsterte Lilly.
    Leon brummte. Kein Wunder, dass Tatjana ihn Bär nannte, das passte ganz gut. Sie schwiegen wieder und Lilly dachte, dass ihr Stiefbruder irgendwo auch recht hatte. Sie konnte weiterleben, damit klarkommen. Sie war zäh. Ein Kämpferherz habe sie, hatte ihr Therapeut damals gesagt.
    Sven hatte seine Entscheidung getroffen, grausam und unwiderruflich, aber Sven war für sie ja schon Geschichte gewesen; sie hatte sich im Herzen längst anders orientiert.
    Ob Jan-Olli auch zur kleinen Gedenkfeier kommen würde?
    Bestimmt würde er sich bald auf ihre SMS melden. Oft benutzte er sein Handy allerdings nicht. War manchmal ein bisschen altmodisch.
    »Ich würde mich nie umbringen, Leon«, sagte Lilly fest, »weil ich ja auch weiß, dass ich Freunde habe: an erster Stelle dich, Paul und Tatjana.«
    »Du hast noch ein paar mehr in der Klasse.«
    »Ja? Wen denn?« Erstaunt drehte sie ihm das Gesicht zu. Seine Augen waren rot. Er hatte auch ein paar Tränen verdrückt, aber jetzt grinste er.
    »Das willst du jetzt wohl wissen, wer noch auf dich steht, was? Aber warum soll ich dir das sagen? Du hast doch deinen Trainer.«
    »Sag’s mir trotzdem.«
    Er schüttelte den Kopf, lachte gurgelnd, als sie ihn kitzelte.
    »Musst du schon selber rausfinden. Und stopp jetzt! Da kommen die ersten Leute.«
27
    Paul ging langsam über das weitläufige Schulgelände. Er trödelte am Spielplatz der Kindertagesstätte vorbei, balancierte über das Mäuerchen der Springbrunnenanlage und lief umständlich um alle Grünstreifen herum, ohne die üblichen Abkürzungen zu nehmen. Er wollte den Pulk Menschen vor dem Haupteingang möglichst spät erreichen. Ihm fiel es nämlich verdammt schwer, den Kopf hängen zu lassen. Auch wenn ihm das selbst irgendwie unheimlich war: Er war schlicht und einfach erleichtert.
    Aber heute waren alle außer ihm in Trauer. Auch die, die Sven gefürchtet hatten, taten jetzt so, als fänden sie seinen Selbstmord unfassbar schrecklich. Paul war sich sicher, dass er nicht der Einzige war, der schauspielerte. Warum sollte zum Beispiel der dicke Felix, den Sven immer nur Fettsack genannt hatte, echtes Bedauern empfinden?
    Ilkay allerdings schien ernsthaft betroffen. Unruhig trat er von einem Bein aufs andere und warf dem ankommenden Paul einen Blick zu, in dem zugleich Verachtung und Angst steckten.
    »Hast du auch so einen Anruf bekommen?«, fragte er Paul leise, als der sich an ihm vorbeidrücken wollte.
    »Was für ’nen Anruf?«
    Ilkay gab keine Erklärung ab. Er guckte, als habe er auf eine Zitrone gebissen, und wandte Paul demonstrativ den Rücken zu.
    Die Leute standen etwas links versetzt vom Eingang, dort in der Ecke, wo die breiten Stufen an die Hauswand stießen. Wegen dringend fälliger Renovierungsarbeiten – zu lange hatten Schüler und Lehrer schon Asbest eingeatmet – waren ein paar Gebäudeteile gesperrt und die Fahrradständer direkt neben das Haupttor verfrachtet worden.
    Normalerweise war dort auf einem blauen Schild der Name der Schule zu lesen. Heute wurde es von einem etwa postergroßen Foto von Sven verdeckt. Dessen Freunde waren mittlerweile alle da, außerdem ein paar andere Schüler, hauptsächlich Jungen aus seiner und der Parallelklasse. Von den Lehrern war am unterrichtsfreien Samstagmorgen nur Frau Hoffmann erschienen. Sie stand mit einer langstieligen gelben Rose in der Hand neben Lilly und Svens Eltern vor der improvisierten Gedenkstelle, drum herum Schüler und Erwachsene, Nachbarn, Verwandte, Freunde der Familie Lange und einfach Neugierige. Sogar ein Reporter vonder Lokalzeitung war angerückt – eine spontane Trauerfeier für einen jugendlichen Selbstmörder mit zweifelhafter Biografie hatte es im Ort noch nie gegeben –, das war mit Sicherheit eine Nachricht, an der viele Leute sich heimlich aufgeilen würden. Die Vorstellung, dass das größte Arschloch weit und breit seinem Leben anscheinend freiwillig ein Ende gesetzt hatte, wirkte einfach zu skurril. War Sven etwa von unerträglichen Gewissensbissen geplagt worden?
    Paul hätte gestern Abend fast gelacht, als er die Nachricht von Svens Selbstmord gehört hatte. Aber da Lilly am Telefon vor Trauer kaum sprechen konnte, hatte er sich zusammengerissen und nur gesagt, dass er Svens Entschluss genauso wenig verstehe wie sie. Um sie zu trösten, hatte er dann die Halskette aus bunt gefärbten Perlmuttscheiben eingepackt, die er ihr eigentlich erst in zwei Wochen zum

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