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Die Angst der Boesen

Die Angst der Boesen

Titel: Die Angst der Boesen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristina Dunker
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Levent sagt, wahrscheinlich ist da alles abgesperrt, aber wir sollen auch hinkommen.«
    »Sven bringt sich nicht um«, sagte Leon kopfschüttelnd und strich mit der Hand über Lillys zuckenden Rücken.
    »Er hat sich in letzter Zeit verändert«, sagte sie. »Er hatte vor irgendwas Angst.«
    »Sven?«, fragte Leon erstaunt. Auch diese Neuigkeit passte für ihn nicht. Hatte er seinen Kumpel etwa gar nicht richtig gekannt?
    »Ja«, murmelte Lilly. »Seit der Abfahrt von der Jugendherberge war Sven komisch. Da hat er sein neues Handy weggeworfen.«
    Tatjana riss die Augen auf. Auch in ihrem Blick glaubte Leon plötzlich Angst zu erkennen.

Samstag, 11. Juni
26
    Lilly trat einen Schritt zurück und betrachtete ihr Werk. Ja, es sah gut aus, würdig. Der Haupteingang zur Schule war nicht länger ein stinknormaler, öder Vorplatz. Er war jetzt ein Denkmal.
    Sie zog ein zerknülltes Taschentuch aus ihrer Jeans und putzte sich die Nase. In manchen Minuten tat es noch genauso weh wie gestern Abend, war noch genauso unfassbar. Sven hatte sich umgebracht. Ausgerechnet ihr Svenni. Er würde nie wieder diese Stufen hinaufgehen, nie wieder durch diese Tür kommen, nie wieder versuchen, ihr in der Klasse den Stuhl unterm Hintern wegzuziehen, sie nie wieder schmachtend ansehen.
    Warum hatte er das getan?
    Und warum musste Leon jetzt auch noch dieses Lied vor sich hin singen? Das war gemein, es passte wie die Faust aufs Auge.
    Join me in death von HIM . Das hatte ihnen beiden gefallen, Sven und Lilly. Anscheinend wusste Leon davon, denn er wurde richtig laut bei der Refrainzeile, deren Wahrheit Lilly jederzeit unterschrieben hätte: This life ain’t worth living.
    Schon wieder kamen ihr die Tränen. Sie hatte kein Taschentuch mehr, musste die Hand benutzen. »Hör auf zujaulen«, fuhr sie Leon an, »das kann man ja nicht aushalten.«
    Leon war gerade noch dabei, die letzten groß kopierten Fotos von Sven mit Klebeband an der Hauswand zu befestigen. Er drehte sich nicht zu ihr um. »Auf Beerdigungen wird nun mal gesungen.«
    Seine Stimme klang jetzt auch, als würde er gleich losflennen, und da musste Lilly plötzlich nicht mehr kratzbürstig sein. Versöhnlich sagte sie: »Ja, gut, dann sing. Aber Rockstar wirst du ganz sicher nicht.«
    Er lachte rau. »Dabei üb ich immer und sing morgens meinen Bartagamen was vor.«
    »Die armen Viecher. Können sich nicht wehren.« Lilly setzte sich auf die Stufen, zündete sich, um irgendwas zu tun, eine Kippe an. »Tierquälerei ist das, Leon.« Sie wusste ganz genau, dass seine Reptilien sein Ein und Alles waren. Zoohändler und Züchter, das war sein heimlicher Berufswunsch.
    Auch er wusste, dass sie ihre Bemerkungen nicht ernst meinte.
    Schief grinsend kam er nun zu ihr, klebte ihr einen Schnipsel Klebeband auf die Nase, schnorrte sich eine Zigarette aus ihrer Schachtel, seufzte und lehnte sich an sie.
    »Scheiße, Schwesterchen, dein armer Ex, ey. Wieso hat er das gemacht? Ich meine, jeder geht davon aus, dass er ’s selbst gemacht hat. Vielleicht ist er ja auch nur gestolpert oder so.«
    Lilly stieß ein verächtliches Schnauben aus. »Gestolpert?«
    »Ja, ich weiß. Ist unwahrscheinlich. Aber ich kapier ’s nicht.«
    »Hast du noch nie daran gedacht, Schluss zu machen?«, fragte Lilly ernst, während sie den Klebebandschnipsel erstzerknüllte und ihn dann nachdenklich von einer Fingerspitze auf die nächste setzte. »Nie? Ich schon. Hast du keine Probleme mehr, keiner verletzt dich, trampelt auf dir rum, betrügt dich, zieht dich aus mit seinen Blicken, tatscht dich an und ...« Sie gab ein kehliges, halb knurrendes, halb angeekeltes Geräusch von sich und verkrampfte die Finger zu halb offenen Fäusten.
    »Hör auf«, sagte Leon und gab ihr einen Klaps auf die Hände. »Du bist destruktiv.«
    Lilly fand sich gar nicht destruktiv, sie war nur realistisch. Sie wollte es schon richtigstellen, aber Leon legte sich zurück. Mit dem Kopf auf den Steinen blickte er in den Sommerhimmel. Sie hörte ihn laut schlucken, sich räuspern; sie wusste, dass es ihm dreckig ging, daher hielt sie den Mund.
    Zwei Minuten später berührte seine Hand das Skorpiontattoo in ihrem Nacken.
    »Das beschützt dich doch, Lilly, oder?«
    Seine Berührung kitzelte. Sie war irritierend, aber angenehm. »Na ja.«
    »Doch. Seit du das hast, hat dir niemand mehr was getan, oder? Richie ist ausgezogen, wir sind eingezogen. Der Skorpion passt auf dich auf. Bin ich sicher.« Leon ließ seine Hand wieder sinken. »Und wenn

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