Die Angst der Boesen
kommen und bloß nicht wieder in ihren Herzschmerz abzudriften, sagte Lilly zu Frau Hoffmann: »Ich hab auch noch eine Kippe gut.«
Die warf ihr daraufhin die ganze Schachtel zu. Levent gab ihr mit seiner Zigarette Feuer.
Da mittlerweile drei Personen rauchten, stand Tatjana auf, schloss die Tür und öffnete dafür die Fenster, damit der Qualm abziehen konnte. Lilly wusste nicht, ob sie das gut oder schlecht finden sollte. Klar, ihre Freundin dachte mit, aber andererseits bekäme sowieso die Lehrerin den meisten Ärger, wenn sie erwischt würden.
Levent berichtete jetzt, was die Jungs sich so Schlaues über Svens allerletzte Augenblicke dachten:
»Der hat bestimmt kurz vorher gewusst, dass der Zug ihn erwischt. Das muss krass sein, wenn die Lok immer näher kommt und größer wird und du von einem Punkt an nichts anderes mehr sehen kannst« – er untermalte seine Worte mit den Händen – »und dann: wuuuusssssschhhhh .«
»Verschon uns damit bitte, ja?«, bat Frau Hoffmann.
»Okay, ich erzähl euch was Nettes. Bei unserer ersten Begegnung im Schulflur wollte Sven mir eine reinhauen. Er sagte, meine Fresse würd ihm nicht gefallen. Ich war schon in Verteidigungsstellung gegangen, so« – Levent nahm wieder die Arme zur Hilfe – »da holt der Idiot zum Schlag aus, rutscht auf ’ner Bananenschale aus und setzt sich vor mir auf den Hintern. Sagt er: ›Mann, Scheiße, und die hab ich selber dahingelegt, damit die Hoffmann hinfällt und wir freikriegen.‹ Ich hab gesagt: ›An sich ’ne gute Idee, Alter‹, und dann hab ich ihn hochgezogen und wir sind Freunde geworden. Da waren wir beide zwölf.«
»Ihr wart schon echte Rabauken.« Die Hoffmann seufzte. »Ich werde euch vermissen.«
»Glaub ich nicht«, zischte Lilly böse. Immer diese Anschleimerei!
»Glaub, was du willst.« Die Lehrerin sah auf ihre Uhr. »Was meinst du, wie lange du noch brauchst, Ebru?«
»Paar Minuten.«
»Wir gehen dann mal wieder.« Levent drückte seine Zigarette aus. »Hier ist auch keine besonders gute Stimmung. Normalerweise ist ja wenigstens mein Freund Ilkay für Spaß zu haben, aber der ist heute auch mit dem falschen Fuß aufgestanden. Ilkay glaubt nämlich an einen Serienmörder.«
»Was?«, entfuhr es der Lehrerin.
Lilly, ausnahmsweise sprachlos, klappte den Mund auf.
»Ilkay hat gestern einen Drohanruf gekriegt. Der Typ hat gesagt, er wär der Nächste.« Levent untermalte seine Worte diesmal mit Bewegungen aus dem Kickboxen. »Meiner Meinung nach ist das Schwachsinn, aber ich passe sicherheitshalber auf ihn auf. Ich bin jetzt sein Bodyguard.«
Ebru sah Ilkay erschrocken an. Auch Lilly war irritiert. Ilkay war keiner, der gern im Mittelpunkt stand, schon gar nicht mit so was. Er wurde rot, ärgerte sich sichtbar, warf seinem Freund einen bösen Blick zu – »Ich brauch keinen Bodyguard und dir erzähl ich bestimmt nichts mehr!« – und stürmte wütend aus dem Kunstraum.
»Ist das jetzt wieder einer deiner blöden Witze oder was?«, fragte Lilly, bekam aber keine Antwort.
Stattdessen sah sie, wie Frau Hoffmann Ilkay nachlief. »Warte, Ilkay, das kann wichtig sein für die Ermittlungen.«
Auch Tatjana sprang auf und schnappte sich Levent, der den beiden folgen wollte. »Hat der Typ, der Ilkay am Handy bedroht hat, denn gesagt, dass es mit der Abschlussfahrt zu tun hat?«
»Gesagt nicht, aber Ilkay glaubt das. Frag mich nicht, wieso. Ich weiß nur, dass ich euch an dem Abend nicht hätte allein gehen lassen dürfen.«
»Das Gefühl habe ich so langsam auch«, sagte Lilly, »Levent, wir haben was verpasst.«
»Weiß nicht«, antwortete er vage, lächelte ihr zu und sagte: »Sorry, kann jetzt nicht bleiben, muss mich um Ilkay kümmern.« Damit ging er.
Lillys Blick fixierte Tatjana. »So, jetzt will ich endlich wissen, was da abgegangen ist. Was ihr mir erzählt habt, kann nicht alles gewesen sein. Irgendwas haltet ihr zurück. Ich bin nicht blöd, ich merk das doch.«
»Ich würde es auch gerne wissen, wenn’s um Ilkay geht«, sagte Ebru.
»Ja, ja, ich erzähl euch alles, auch das Ende«, antwortete Tatjana matt. »Sobald die Hoffmann weg ist, versprochen.« Dann ließ sie sich wie ein nasser Sack neben Lilly auf den Stuhl fallen und verbarg den Kopf in den Händen.
Lilly und Ebru tauschten einen besorgten Blick. Lilly legte ihrer Freundin schließlich die Hand auf die Schulter.
Die Hoffmann betrat wieder den Raum. »Die Jungs vertrauen mir nicht«, murmelte sie. »Aber ihr gebt mir Bescheid, wenn
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