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Die Angst der Boesen

Die Angst der Boesen

Titel: Die Angst der Boesen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristina Dunker
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zurückziehen, die Tür zumachen und den Computer einschalten: Zeit für die Wahrheit. Nachdem Sven ihm damals vom ersten Anruf erzählt hatte, hatte Ilkay ein einziges Mal geguckt, ob im Internet ein Bericht über ihre Tat zu finden war. Er hatte keinen entdeckt, aber auch nur wenig Zeit investiert.
    War das ein Fehler gewesen?
    Martin war das erste Wort, das Ilkay bei Google eingab. Er hatte den Vornamen des Penners verstanden, obwohl Sven das Handy zu diesem Zeitpunkt schon an sich genommen hatte. Dazu schrieb Ilkay Bremerhaven und das Datum. Überfall fügte er auch noch hinzu und klickte dann auf die Funktion: Alle Ergebnisse im letzten Monat suchen.
    Auf der vierten Seite führte ihn einer der Treffer auf eine Website, die offenbar erst vor Kurzem hochgeladen worden war. Ilkay ließ ein Stöhnen hören. Warum nur hatte er nicht eher danach gesucht?
    Die Homepage war in Schwarzblau gehalten, in den Farben des Nachthimmels; Sterne umrahmten die Kopfzeile. Auf den ersten Blick wirkte die Website harmlos – wie ein Forum für Selbstmordinteressierte und andere Todessehnsüchtige.
    Schnell aber erkannte er, dass dies kein Forum war. Es gab nichts anzuklicken und zu posten, es gab nur etwas anzusehen, zu lesen.
    Und zu schaudern.
    Denn dies hier war eine Botschaft. Direkt an ihn und seine vier Begleiter vom letzten Abend der Abschlussfahrt.
    Mit plötzlichem Herzrasen drehte Ilkay sich auf seinem Schreibtischstuhl vom Bildschirm weg und rang nach Luft.
    Worst case.
    Warum war das hier niemandem aufgefallen? Aber klar, außer Paul hatte sich keiner Gedanken über die Folgen des Abends machen wollen. Wusste Paul von der Website? Hatte die Schwuchtel gewusst, dass Sven und sie alle in Gefahr waren, und einfach nichts gesagt? War Paule deshalb so tollkühn und frech? Glaubte er, ihn würde der Mörder verschonen, weil er ja selber nur ein feiges Opfer war?
    Ilkay stieß einen Fluch aus und zwang sich, die Seite genauer zu studieren.
    Den Hintergrund bildete das Foto eines nächtlichen Friedhofs, genau des Friedhofs, auf dem sie gewesen waren. Ilkay erkannte das Gittertor wieder, an dem er geschaukelt hatte. Der große graue Grabstein allerdings hatte nicht dort gestanden. Der war eine Fotomontage, genau wie die fünf schwarzen Kerzen, die an seinem Fuß unten in die Erde gesteckt waren. Nur eine Kerze, die erste ganz links, brannte. Ihre virtuell flackernde Flamme warf einen Widerschein auf den Stein, in den in altertümlichen Buchstaben Martin gemeißelt war. Darunter stand: Getötet am 22. Mai.
    22. Mai, dachte Ilkay, das war der Sonntag. Er hat noch gelebt, als wir abgehauen sind, und ist dort liegen geblieben, wo wir ihn hingeworfen haben.
    Wahrscheinlich konnte er sich nicht befreien. Vielleicht hat sein Todeskampf deshalb so lange gedauert. Klar, er hat den Deckel nicht aufgekriegt.
    Ilkays Puls ging so schnell, dass er aufsprang, ins Badezimmer lief und Gesicht und Arme unter kaltes Wasser hielt. Seine Mutter, die ihn durch die offene Tür sah, fragte besorgt, ob alles in Ordnung sei.
    Ilkay antwortete nicht, knallte die Badezimmertür zu und hockte sich auf die angenehm kühlen Fliesen.
    Tränen schossen ihm in die Augen. Er kniff sie zusammen und dachte an diese eine beschissene Nacht. Vor allem das am Schluss hätten sie echt bleiben lassen sollen. Tatjana hatte recht gehabt: Das war absolut daneben gewesen.
    Der Penner hatte genervt und Leons Freundin angemacht, dafür hatte er Zähne gespuckt, okay, aber der Rest ...
    Wessen Idee war das eigentlich gewesen? Svens?
    Wen interessierte das jetzt noch? Wenn sie jemand ins Visier genommen hatte, wenn jemand sie wirklich killen wollte, würde der sicher nicht unterscheiden, wessen Schuld schwerer wog.
    Widerstrebend richtete Ilkay sich auf und zwang sich dazu, an seinen Computer zurückzukehren. Mit starrem Gesichtsausdruck las er den in sehr kleiner Schriftgröße verfassten Text, der über das Friedhofsbild montiert war.

    Martin, du hattest nicht verdient, so erbärmlich zu krepieren. Die Polizei glaubt, deine Drogensucht sei schuld an deinem Tod. Aber du wolltest neu anfangen, du wolltest leben.
    Du würdest leben, wenn du nicht auf diesem Friedhof deinen Mördern begegnet wärst.
    Ich habe die Spuren der Gewalt an deinem Körper gesehen. Ich habe dein Wimmern gehört. Ich weiß, was man dir angetan hat.
    Und ich weiß, wer es war.
    Fünf Kerzen will ich nun nach und nach für dich anzünden. Die fünf, die dich auf dem Gewissen haben, sollen ihre gerechte

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