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Die Angst der Boesen

Die Angst der Boesen

Titel: Die Angst der Boesen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristina Dunker
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Halbrund des Gestells schon sehen. Vom benachbarten McDonald’s zog ihm ein eindringlicher Geruch in die Nase. Gewummer von Bässen war zu hören. In den Drive-in fuhr um diese Zeit ein Auto nach dem anderen. Ilkay wich Tüten zermatschter Fritten aus. Je mehr er sich vom Fast-Food-Restaurant entfernte, desto mehr nahm der Müll ab, desto dunkler und stiller wurde es. Die Halfpipe ragte wie eine verlassene Raketenabschussrampe aus einem billigen Science-Fiction-Film vor ihm auf.
    Leon war nicht zu sehen.
    Ein Telefonanruf.
    Levent? Verspätet? Bloß nicht.
    Zu Ilkays Überraschung stand Leons Nummer auf dem Display.
    »Alter, wo steckst du? Kannst du jetzt wieder reden? Ich bin gleich da und hab keinen Bock, verarscht zu werden.«
    »Ilkay.«
    Er erstarrte mitten in der Bewegung, stand wie festgefroren auf dem Platz. Das war die Stimme. Wie war dieser Mann an Leons Handy gekommen?
    »Ilkay, was meinst du, wirst du der Nächste sein? Oder warte ich mit dir, bis ich das Mädchen erwischt habe?«
    Ilkay überlegte nicht. Augenblicklich rannte er los. Nur der leere Parkplatz zwischen ihm und den Menschen im Schnellrestaurant. Maximal zweihundertfünfzig Meter, nur Platz fürsechzig Autos, nur eine ebene Strecke, nur ein Sprint, einmal hin und zurück übers Fußballfeld.
    Zu viel.
    Der Wagen hatte im Sichtschutz einiger Altkleidercontainer geparkt. Er kam von hinten und schoss mit hoher Geschwindigkeit auf ihn zu. Ilkay drehte sich im Laufen um, sah ihn kommen, versuchte, wie ein Hase Haken zu schlagen. Vergebens.
    Der Aufprall schleuderte Ilkay zur Seite. Er krachte mit Kopf und Schulter voran auf die Erde.
45
    Silke hatte sich Pommes und Burger zum Mitnehmen bestellt. Sie wollte nach Hause, sich vor den Fernseher knallen und eine ganze Flasche Rotwein trinken. Das hatte sie sich verdient, nachdem Martin sie versetzt hatte und einer ihrer Schüler vor einen Intercity gestoßen worden war. Den Rest des Abends auf der Couch zu versacken und morgen nur im Schlafanzug herumzulaufen war genau das, was sie brauchte, denn sie wurde das ungute Gefühl nicht los, dass ihr noch eine weitere böse Überraschung ins Haus stand.
    Silke hatte gerade ihr dumpf dampfendes Abendessen in den Fußraum auf der Beifahrerseite gestellt, als Polizei- und Krankenwagen vorbeirauschten.
    Schon wieder welche. Die ersten waren ihr auf dem Weg hierher entgegengekommen – was war los in der Stadt?
    Vor allem: Was war los in der Nähe der Schule?
    Sie kurvte aus dem McDonald’s-Bereich heraus und lenkte ihr Auto nicht zur Hauptstraße, sondern auf den großen Parkplatz.
    Dort waren schon ein paar Schaulustige zusammengelaufen.Als Silke ausstieg und mit zögernden Schritten auf die Menschenansammlung und das flackernde Blaulicht zuging – »Zurückbleiben, bitte gehen Sie zur Seite, Sie behindern unsere Arbeit!« –, sah sie, dass diese Aufforderung besonders einem jungen Mann galt.
    »Ich will zu ihm, ich bin sein Freund«, brüllte der Junge laut, ruderte außer sich mit den Armen, preschte immer wieder vor und musste schließlich von einem Polizisten festgehalten werden.
    »Beruhig dich. Die tun doch, was sie können.«
    Silke blieb stehen. Kannte sie den Jugendlichen nicht?
    »Ich muss ihn beschützen«, rief der. »Ich hab’s ihm geschworen. Ich wär ja auch schon längst hier gewesen, wenn nicht so ’n paar Typen aus der Südschule aufgetaucht wären und mir Stress gemacht hätten. Das muss er mir glauben! Bis ich die abgehängt hatte, musste ich einen Riesenumweg laufen. Nur deshalb bin ich zu spät, nur deshalb, nur wegen diesen Arschlöchern, sonst wär ich nie zu spät und ich muss doch meinen Freund beschützen.«
    »Ja, das tust du doch auch«, sagte der Polizist hilflos.
    »Wenn die mich nicht aufgehalten hätten, wenn die mich nicht hätten abziehen wollen ...«
    »Ruhig! – Haltet mal die Leute zurück!«
    Silke trat hastig zur Seite, weil der Krankenwagen startete und an ihr vorbei in hohem Tempo Richtung Hauptstraße, zur Unfallklinik fuhr.
    Fast unmittelbar zerstreute sich die Menge. Nur der Freund des Verletzten blieb. Jetzt, da die Nebengeräusche verklangen, konnte sie seine Stimme endlich zuordnen. Das ist Levent, dachte sie.
    Im gleichen Augenblick erinnerte sie sich an ihre eigenen Worte:
    »Ach, das ist Levent, der ist nur ein Spaßvogel.«
    Martin hatte geantwortet: »Aber auch einer von den Bösen.«
    Die Bösen. Hatte Martin das von ihr gewollt? Die Namen böser Schüler?
    Mit puddingweichen Beinen ging sie auf

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