Die Angst des wei�en Mannes
der Moros, seiner im Süden lebenden Landsleute und einer südostasiatischen Facette des Heiligen Krieges ausgesetzt.
Was haben die heutigen Malaien von Luzon und Mindanao mit den düsteren Zukunftsbetrachtungen zu tun, denen sich ein Teil der weißen Menschheit hingibt? Es wäre grotesk, die Guerrillabekämp fung, die der jungen philippinischen Armee zugefallen ist und die kaum in der Lage sein dürfte, den islamischen Aufruhr zwischen Zamboanga und Davao, vor allem aber auf dem Sulu-Archipel in den Griff zu bekommen, in eine gemeinsame Front mit ihren frü heren Kolonialherren zu pressen.
Das religiöse und politische Erbe, das sie vom Okzident über nommen haben, räumt den Einwohnern dieses ostasiatischen Insel staates eine einzigartige, irgendwie mit dem Westen verwandte Sonderstellung und Bestimmung ein. Die Spanier hatten in vier hundert Jahren einen intensiven Kulturtransfer erzielt, der auf der erfolgreichen Christianisierung der malaiischen Stämme der Haupt insel Luzon und der Visayas beruhte, wo der Islam noch nicht Fuß gefaßt hatte. Die katholischen Filipinos stellen heute die Mehrheit der Gesamtbevölkerung dar. Die spanischen Kolonisten, die sich – ähnlich wie in Lateinamerika – Latifundien aneigneten, waren nicht zahlreich genug, um eine sichtbare ethnische Vermischung, die Schaffung einer breiten, ja überwiegenden Schicht von Mesti zen zu zeugen, wie das zum Beispiel in Mexiko der Fall war.
Bemerkenswerterweise unterstand diese ferne asiatische Inselgruppe lange Zeit der Autorität des spanischen Vizekönigs von Mexiko, war allerdings mit dieser Verwaltungszentrale nur einmal im Jahr durch eine Galeone verbunden. Die katholische Kirche etablierte sich hier wie im Mutterland als höchste moralische Instanz. Den verschiedenen Missionsorden gelang es, bei den in Armut lebenden »Campesinos« eine inbrünstige, von Aberglauben durch setzteFrömmigkeit zu verwurzeln. Aber der iberische Klerus war damals in sozialen Fragen ebenso konservativ, ja reaktionär, wie die kirchliche Hierarchie. Sozialarbeit wurde im Sinne der karitativen Gebote geleistet und die Misere des Volkes als göttliche Fügung hingenommen, war doch die Erde ohnehin ein »Tal der Tränen« und den Verlockungen Satans ausgesetzt.
Die Ankunft der US Marines des General Pershing um das Jahr 1900 hätte als Signal aufklärerischer Umerziehung die Ausrichtung der Filipinos auf jene freiheitlichen Ideale bewirken können, die die Vereinigten Staaten groß und bewundernswert gemacht hatten. Es gab jedoch in diesem exotischen Raum nicht die geringste Voraus setzung für die Entfaltung des dynamischen und schöpferischen Kapitalismus, den Max Weber aufs engste mit der calvinistischen Prädestinationslehre der frühen puritanischen Pilgerväter verbin det. Von »pursuit of happiness« als Verfassungsideal konnte unter dem Joch der neuen, einheimischen Oligarchie der Großgrundbe sitzer, der »rosca«, wie man in gewissen Ländern Lateinamerikas sagt, nicht die Rede sein.
In Manila entstand nach der Proklamation der Unabhängigkeit eine Karikatur des US-amerikanischen Präsidial- und Congress-Systems. In Krisensituationen gab die Armee den Ausschlag. Bei den »grandes familles« – in Parteien gruppiert, die sich in ihrer ge sellschaftlichen Substanz allzu ähnlich waren und über den Erhalt ihrer Privilegien mittels Zwang und Korruption wachten – war man weit entfernt von irgendeinem System der »checks and balances«. Die spanische Sprache wurde erstaunlich schnell durch das ameri kanisch gefärbte Englisch verdrängt und neben dem malaiischen Idiom Tagalog zur offiziellen Amtssprache. Eine spektakuläre Mi mikry fand statt, aber die Assimilierung war wohl oberflächlich.
In Washington hatte man schließlich Anstoß genommen am willkürlichen Regierungsstil des Präsidenten Marcos und an der Verschwendungssucht der nicht mehr ganz so schönen Imelda. Der Versuch liberaler Politiker in USA, auf das straffe Regiment des »Pistolero« eine liberale, volksnahe Staatsführung folgen zu lassen, scheiterte jedoch. Corazon Aquino – als Betschwester belächelt – tratals Präsidentin an die Stelle ihres ermordeten Gatten. Aber auch sie versuchte gar nicht ernsthaft, die skandalöse Not ihrer Untertanen zu lindern.
Ihre Nachfolgerin, die winzig gewachsene Gloria Arroyo Maca pagal – der Name vereint zwei der reichsten lokalen Dynastien – be hauptete ihre Position an der Spitze des Staates sogar gegen aufsäs sige Generale,
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