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Die Angst des wei�en Mannes

Titel: Die Angst des wei�en Mannes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Scholl-Latour
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betrachtete das Volk lediglich durch die Brille einer erlahmten katholischen Religiosität und einer lauen sozialen Be vormundung, die Erinnerungen an den portugiesischen Diktator Salazar weckte. Sie legte dabei eine politische Härte, einen stähler nen Durchsetzungswillen an den Tag, den man dieser zierlichen Puppe gar nicht zugetraut hätte. Die Rolle der Frau in den höch sten Sphären ostasiatischer Politik wird ständig unterschätzt.
    Der historische Skandal auf den Philippinen besteht darin, daß dieser Staat, der über fruchtbare Landschaften und kaum erschlos sene Bodenschätze verfügt, neben Bangladesch und Nordkorea als Armenhaus Ostasiens gilt. Das passiert ausgerechnet einem Volk, das der abendländischen Heilslehre des Christentums sowie, in einer späteren Phase, der amerikanischen Menschenrechts- und Demokratie-Ideologie in vollem Umfang teilhaftig wurde. Hun derttausende von Filipinos, die weiterhin für die angestammte Füh rungsclique wie Leibeigene schuften oder in den Slums der großen Städte am Rande der Abfallhalden ein erbärmliches Auskommen suchen, haben versucht, ihr Schicksal durch Auswanderung und Arbeitsuche in der Fremde zu verbessern.
    Die Privilegierten kamen in den USA unter, und auch Europa bietet für Hausangestellte günstige Arbeitsplätze, was ihnen er laubt, die in der Heimat verbliebenen Familien finanziell zu unter stützen. Aber wehe den christlichen Sklaven der Neuzeit, die sich von dubiosen Anwerbern mit trügerischen Versprechungen in die arabischen Golfemirate oder, schlimmer noch, nach Saudi-Arabien verfrachten lassen.
    Man möge mir erlauben, neben meiner Begegnung mit Sunny, der »ehrbaren Dirne« der Vinta-Bar von Zamboanga, auch über das Schicksal der philippinischen Hausangestellten Flora zu berich ten.Sie war, mit einer korrekten Aufenthaltsgenehmigung ausgestattet, bei meiner Frau seinerzeit in Hamburg im Haushalt tätig. Die gute Flora war nicht nur eine fleißige, absolut verläßliche Hilfe. Für mich stand sie beinahe im Geruch der Heiligkeit. Sie hatte ihre Heimatinsel Cebu verlassen, um ihrem Bruder mit ihren bescheidenen Einkünften das Studium zu finanzieren.
    Die Natur hatte Flora nicht begünstigt. Sie war durch eine Ha senscharte entstellt, aber im katholischen Glauben, in einer gotter gebenen Frömmigkeit fand sie Trost und Lebensfreude. Die Wall fahrten nach Lourdes und Fatima waren Höhepunkte ihres Lebens, und sie träumte davon, eines Tages genügend Geld zu sparen, um auch ins Heilige Land zu pilgern, wo »Our Lord«, wie sie es aus drückte, für die Erlösung der Menschheit den Kreuzestod erlitten hatte.
    Als ihr Vater im fernen Cebu schwer erkrankte, reiste sie nach Hause, um ihn zu pflegen. Aber damit hatte sie ihre Aufenthalts genehmigung in der Bundesrepublik verwirkt. Sie ließ sich später von einem superreichen Öl-Protzen in einem arabischen Scheich tum anheuern. Dort wurde Flora wie Dreck behandelt und um die vereinbarten Einkünfte betrogen. Von ihrem arabischen Dienst herrn war sie zum Schuften rund um die Uhr verurteilt, und ledig lich der Entstellung durch die Hasenscharte verdankte sie wohl, daß sie nicht von ihm oder seinen Söhnen vergewaltigt wurde. Sie muß unsäglich gelitten haben, um meiner Frau aus dieser Verbannung eine verzweifelte Botschaft zu schicken, in der sie um Erlösung bet telte.
    Am härtesten trifft es die Filipinos, daß in Saudi-Arabien – ent gegen den ausdrücklichen Garantien des Koran zugunsten der »Familie des Buches« – kein christlicher Gottesdienst abgehalten werden darf, ja sogar der Besitz von Kreuzen und Bibeln unter Strafe stand.
    Man wird mir entgegenhalten, die Lebensverhältnisse auf den Philippinen hätten sich inzwischen gebessert, so wie die Laudatoren des indischen Wirtschaftswunders häufig argumentieren, in den letzten Jahren sei doch das tägliche Durchschnittseinkommen indieser »größten Demokratie der Welt« von einem auf zwei Dollar angestiegen. Es fragt sich nur, ob diese pauschale finanzielle Verbesserung wirklich den verschuldeten Kleinbauern und Pächtern oder gar der Masse der »Dalit«, der Unberührbaren, zugute kommt. Oder ob nicht in Wirklichkeit das Geld in die Kassen der privilegierten Kasten, der Großgrundbesitzer und der ausbeuterischen Wucherer, der »Zamindar«, der Indischen Union fließt.
    Die Christenheit Amerikas und Europas ist tief gefallen, daß sie eine solche Diskriminierung und Knechtung ihrer philippinischen Glaubensbrüder, auch wenn sie nicht

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